(14.08.2017 – Tag 1.149)
Wenn man sich als Familie auf eine lange Reise begibt, fragt man sich öfter, wie die Reise wohl aus Kinderperspektive erlebt wird. Es ist kein Geheimnis, dass die meisten Langzeitsegler entweder (noch) keine Kinder haben oder ihren Nachwuchs schon aus dem Haus haben. Wenige sind mit Kindern unterwegs. Segeln im Atlantik noch alle ungefähr in einer Richtung, bringen die Weiten des Pazifischen Ozeans eine ordentliche Menge an potentiellen Zielen in Spiel. An einem Ankerplatz lernt man ein Boot kennen, bespricht die weitere Route, die angeblich übereinstimmt… und sieht es nie wieder. Ein Tag zu lange gewartet, das Wetterfester ist vorbei, bis zum nächsten können Wochen vergehen. Eine kleine Zieländerung, man bleibt dann doch zwei Wochen vor einer traumhaft schönen Insel. Bei jedem Ankerplatz halten unsere Kinder Ausschau, ob andere, am besten schon bekannte Kinderboote in der gleichen Bucht vor Anker liegen. Die Eltern von reisenden Kindern verfolgen gegenseitig die Blogs, übersetzen mit Hilfe von Google-translate aus den unterschiedlichen Sprachen, um die Position und die weitere Route für ein mögliches Treffen heraus zu finden. Auch entsprechende Gruppen wie Kids4Sail auf Facebook helfen.
SY Tika, die wir in Tonga kennengelernt haben, macht sich große Mühe, in Fidschi ein Treffen organisieren, zu dem möglichst viele Kinderboote kommen können. Seitdem der Ort und die Zeit bekannt sind, passen die minderjährigen Crewmitglieder mit Argusaugen auf, dass ihr Boot nicht zu irgendeiner besonders ursprünglichen Pazifikperle abbiegt, sondern pünktlich spätestens am 10. August in der Bucht von Navadra erscheint. Sonst kann sich das betroffene Schiff gleich in Bounty umbenennen – entsprechende Meuterei inklusive. Außer den Booten, die an der ursprünglichen Planung in Tonga beteiligt waren, kommen noch weitere, durch Kids4Sail angeworbene Segler. Shannon und Courage von Lil’Explorer brechen unseren Rekord – sie haben fünf Kinder an Bord.
Ab dem ersten Tag des Kindertreffens verselbstständigen sich die Kinder und springen von Boot zu Boot. Jede Kindercrew hat ein vom Mutterschiff unabhängiges Fortbewegungsmittel, dass den Kindern zur freien Verfügung überlassen wird. Kajaks, Wadeboards, Ruderdinghys flitzen hin und her. Franka und Vsevolod bekommen unser Bananaboot. Mehrere Tage lang landen die Kinder an einem steilen Strand mit ordentlich Brandung sicher und gekonnt an. Sie ziehen ihre Boote an Land, manövrieren bei Niedrigwasser durch die Korallen. Unsere Kinder rudern selbst bei 25 Knoten eine ordentlich lange Strecke gegen den Wind, und das mehrmals am Tag.
An Land wird ein Junglecamp aufgebaut. Einige haben ihr eigenes Zelt mitgebracht. Unsere Großen haben nur Schlafsäcke, müssen sich erstmal durchfragen, ob jemand einen freien Platz hat. Einige Kinder schlafen in Hängematten. Während die Kinder mit ihrem Lager beschäftigt sind, gönnen sich ihre Eltern ein Bier am Lagerfeuer. Dann ziehen sich die müden Erwachsenen zurück. Bis nach Mitternacht hört man die Stimmen aus dem Zeltlager.
Glaubt jemand, die Kinder schlafen bis Mittag? Unsere Großen rudern noch vor 7 zurück zum Boot. Nicht dass sie gar keinen Spaß mehr aufs Zelten haben … Aber Arvid hat heute Geburtstag und sie wollen zurück an Bord sein bevor er aufsteht, um ihm beim Auspacken der Geschenke zuzuschauen. Nach dem Frühstück wirken sie hundemüde, aber schlafen? Nein, Fehlanzeige. Man könnte noch so viel machen. Schließlich hat man nicht jeden Tag eine Bucht voller Kinder. Als alle sich für ein Gruppenbild aufstellen, zählt Thomas 23 kleine Segler.
In den nächsten Tagen ziehen sich die Eltern zurück und melden sich nur wenn Essen oder sonstige Hilfe verlangt wird. Russel von SY Tika bringt unseren Kindern Windsurfen bei. Thomas setzt sich ins Dinghy uns zieht länger als eine Stunde Kreise, bis alle freiwilligen das Wasserskifahren ausprobiert haben. Die meiste Zeit verbringen die Kinder aber unter sich. Sie erzählen recht wenig, was sie machen, wirken aber sehr glücklich und zufrieden. Nur manchmal übermannt sie die Müdigkeit.
Wir nutzen die Zeit, um auf den steilen Hügel am Eingang der Bucht zu steigen. Der Ausblick ist spektakulär. Nur leider spielt die Sonne mit uns verstecken, daher möchte Thomas am Tag darauf für ein schönes Bild noch mal auf den Ziegenpfaden hochklettern. Dank des entspannten Tagesablauf finden wir Zeit unseren Tauchkompressor auszupacken und gehen damit Schnorcheln. Wie vielerorts in Fidschi treffen wir auch in Nevadra auf eine artenreiche Unterwasserwelt. Der Kompressor erlaubt uns auf 5-7 Meter zu tauchen, das ist eh die Tiefe in der man die meisten Rifffische findet. Ein Fischerboot beobachtet unsere Schnorchelversuche mit Interesse. Sie hätten auch nichts dagegen, so ein Teil zu haben. Stundenlang liegen sie hier vor Anker, um in der Nacht auf Fischjagd zu gehen. Da muss man Geduld haben: stundenlang in einem kleinen auf dem Schwell tanzenden Boot zu sitzen und auf den Sonnenuntergang zu warten.
Am letzten gemeinsamen Abend wird noch ein Begriffe-raten Spiel veranstaltet. Während die anderen sich anstrengen, schläft Arvid am Lagerfeuer ein. Vielleicht erreichen wir deswegen nur den vorletzten Platz? Nach dem Spiel verabschieden wir uns herzlich von einander. Leider führen die Wege wieder viel zu weit auseinander, so dass die lieb gewonnenen Freunde irgendwo durch die unendlichen Weiten des Pazifiks verstreut werden. Trotzdem sind wir sicher, den ein oder anderen – oder gar alle – irgendwo wieder zu treffen.