(06.09.2016 – Tag 808)
Nach fast vier Wochen in der heißen Atacama friert Natalya schon im Bus zurück nach Puerto Montt erbärmlich. Zwei Jacken und zwei Decken reichen nicht. Wer hat noch auf dem Flug von Brasilien nach Deutschland über die armen Brasilianer gelacht, die im Flugzeug alles angezogen was sie hatten, inklusive Regenjacken?
Das Boot ist dieses mal trotz des fehlenden Luftentfeuchters in gutem Zustand. Schimmel ist nirgendwo aufzufinden. Während der außergewöhnlich sonnigen Wochen vor der Abfahrt ist unser Boot richtig trocken geworden. Aber heute regnet es wieder in Strömen, das Wasser plätschert gegen den Spiegel und alles fühlt sich kalt und feucht an.
In den nächsten Tage beschäftigen sich die Kinder viel mit der Schule. Wegen der schulfreien Wochen auf Landausflug sind sie ihrem Lehrplan ein wenig hinterher. Thomas bereitet die Outer Rim zum Ablegen vor: die Segeln werden abgeschlagen und zum Segelmacher gebracht, Motor und Generator müssen gewartet, die Davits umgebaut werden. Die meisten Reparaturen und Wartungen sind zwar klein, nehmen aber ordentlich Zeit in Anspruch, vor allem wenn Ersatzteile angeschafft werden müssen. An den Nachmittagen fahren wir in die Stadt. Die Kinder gehen liebend gerne mit ihren Rollern zur Skateranlage an der Uferpromenade oder spielen Fußball. Der Frühling ist da. Viele Büsche stehen voll in Blüte. In einem Strauch voller roten Beeren kreischt eine Horde großer grüner Papageien. Sie sind überhaupt nicht scheu und lassen sich fast anfassen. Bei schönen Tagen sehen wir den strahlend weißen schneebedeckten Gipfel des Vulkans Calbuco.
Am 29. September haben wir einen Krantermin. Das Unterwasserschiff muss gereinigt und gestrichen werden. Der Tag ist ziemlich windig und das Zeitfenster wegen der Tide knapp. Wenn wir warten bis der Wind sich legt, ist das mit dem Termin vorbei und wir müssen zwei weitere Wochen auf die nächste Springtide warten. Zwei Tage zuvor hatten wir bereits aus der engen Marina abgelegt und uns vor Anker gelegt. Ein Ablegen unter Seitenwind aus der engen Box erschien uns zu riskant. Am Krantag fährt Thomas erst mit dem Dinghy zum Kran und sieht sich die Situation an. Ein Einfahren in den Kran erscheint möglich. Also gehen wir Anker auf und fahren rüber. Natalya und die Kinder dürfen nicht an Bord bleiben, sie fahren mit dem Dinghy an Land und schauen von Ufer aus zu. Dafür steigen fünf Marineros ein, um Thomas mit Fendern und Leinen zu helfen. Der Skipper fährt das Boot trotz des böigen Seitenwindes ohne Probleme in die Krananlage. Sobald die Gurte befestigt und überprüft sind, wird die Outer Rim langsam hoch gefahren. Der Rumpf ist ordentlich bewachsen. Leider stellt Thomas bei der ersten Inspektion fest, dass das Bugstrahlruden beim Anlegermanöver eine der im Wasser schwimmenden Leinen eingefangen hat, die den Propeller voll verschrottet hat. Und hier in Chile ist sicher kein Ersatz zu kaufen.
Theoretisch könnten wir weiter auf der Outer Rim leben. Das ist aber arg unbequem und für die Kinder doch nicht so sicher. Mit einem kleinem Rucksack im Gepäck gehen wir auf Wohnungssuche und werden auch schnell fündig. Unsere Cabana, so heißen hier kleine Holzhütten für Touristen, hat sogar Blick aufs Meer und auf die Outer Rim. Thomas geht jeden Tag zum Schiff, um die Arbeiter zu kontrollieren. Die Arbeiten werden schnell und ordentlich erledigt. Das Wetter macht mit, die Tage sind sonnig und eignen sich bestens um das Schiff zu streichen. Nach fünf Tagen dürfen wird wieder aufs Boot ziehen. Nachdem alle Vorbereitungen abgeschlossen sind tanken wir das Schiff voll und segeln für einen halben Tag raus. Das Wetter verwöhnt uns mit einem strahlend blauen Himmel und der klaren Sicht auf die drei verschneiten Vulkanen. Jetzt ist alles klar für den Abschied von Chile. Wir warten nur noch auf das „perfekte“ Wetterfenster.