(14.05.2016 – Tag 724)
Natalya blättert ratlos im Reiseführer. Wohin des Weges? Wir wollen aus der Großstadt wieder aufs Land, wir brauchen frische Luft. Ohne ein bestimmtes Ziel im Auge, setzten wir uns ins Auto und fahren los. Im Reiseführer blätternd entdeckt Natalya eine attraktiv klingende Route: eine Serpentine führt hoch in die Berge direkt im Osten der Hauptstadt.
Relativ schnell ist die Straße gefunden. Im Gegensatz zu den saftig grünen Regenwäldern an der Küste, ist die Vegetation hier ehr eher sparsam. Dürre, halb vertrocknete Büsche bedecken den Boden, hier und da stehen einsame Kakteen. Schnell werden die Anden schroff und wenig gastfreundlich. Während wir uns Windung um Windung langsam hocharbeiten, kriecht die Kälte uns entgegen. Die Straße ist wirklich nicht ohne: eine Haarnadelkurve kommt nach der anderen. Unfallverdächtige Kurven sind durchnumeriert, damit die Rettungkräfte schnell Bescheid wissen, wo genau sie einen zu suchen haben. Talora wirkt blass, die Großen zählen die Kurven, Arvid macht ein Nickerchen.
Da wir nichts geplant haben, sind wir auch super vorbereitet. Es ist schon Mittagszeit und wir haben nichts zu essen. Wer hätte es gedacht, dass in den Bergen nicht an jeder Ecke eine Imbissbude steht. Hoch oben soll es ein Skigebiet geben. Wir hoffen dort ein Restaurant oder wenigstens einen kleines Kiosk mit Brötchen zu finden. Wer dabei an ein Skigebiit wie in den Alpen denkt, auf den lauert eine herbe Enttäuschung. Schon von Weitem kann man einige über die Bergkante ragende Betonklötze erkennen. Na gut, wenn kein Flair dann wenigstens was zu essen. Fehlanzeige! Der Ort besteht ausschließlich aus leer stehenden Hotels und Pensionen. Kein einziges Gebäude ist im Spätherbst geöffnet. Weder ein Restaurant noch eine Bar sind zu sehen. Chilenen scheinen sehr aufgabenorientiert Ski zu fahren. Von Apre-Ski Kultur ist keine Spur zu sehen.
Zu allem Überfluss zieht der Himmel jetzt komplett zu und es fängt sogar an zu schneien, mit der Zeit sogar recht heftig. Und nochmals schlechte Vorbereitung: Wir haben weder Mützen noch warme Jacken dabei! Trotz der Kälte wollen unsere Kinder unbedingt aussteigen und im Schnee zu tollen. Schnee sorgt jedes Mal für Begeisterung. Dieses Mal ist es aber wirklich nicht einfach. Statt lockerem Schnee treffen sie eher auf harten Firn, der nicht mal unter unserem Gewicht nachgibt. Trotzdem haben sie Spaß und gehen nur widerwillig zurück zum Auto. Wir durchforsten unser Gepäck nach etwas Essbarem und finden zwei-drei Brötchen und eine Banane. Gut, dass wenigstens Arvid nicht mehr vom Verhungern akut bedroht ist.
Als wir die Straße wieder herunterfahren fängt es an zu schneien. Während der Fahrt schreit Franka: „Da ist eine Eule!“ Wir wollen ihr nicht glauben, steigen aus und entdecken hoch oben im Baum mitten im Schneegestöber einen fast runden grauen Klumpen. Es handelt sich tatsächlich um eine Eule. Das ist für uns das erste Mal, dass wir eine Eule in freier Wildbahn beobachten. Aber etwas Graues hoch im Baum mitten im Schneesturm während der Fahrt zu entdecken? Manche Kinder haben Augen…
Wieder zurück in Santiago überlegen wir wohin es weiter gehen soll. Wir haben immer noch keinen Plan und keine Übernachtung. Keiner möchte sich heute mit Routenwahl beschäftigen, es wird sich schon etwas anbieten. Wenigstens die Richtung steht fest. Obwohl es im Norden von Santiago einen besonders malerischen Bergpass in luftiger Höhe quer durch verschneite Andengipfel gibt, müssen wir noch die ganze Strecke zurück zu Outer Rim fahren. Auch wenn es spektakulär klingt, fällt die Entscheidung gegen Mendosa. Unser Weg führt nach Süden.
Wir fahren auf der Autobahn solange es uns Spaß macht. Natalya sucht sich den erstbesten Nationalpark aus, wie immer mitten in Nirgendwo gelegen. Wir verlassen die Autobahn und fahren einige Dutzend Kilometer auf der Landstraße. Damit uns nicht das gleiche wie in de Bergen vor Santiago passiert hält Thomas bevor es ganz dunkel wird an einem kleinen Laden an, in dem wir uns für die kommenden Tage verproviantieren. Die Einheimischen werden wohl dabei gedacht haben: „warum braucht die Frau so spät am Abend 40 Brötchen, jede Menge Kekse und sonst drei Tüten voll mit Essen?“
Leider wird es schnell dunkel und wir haben immer noch kein Dach über dem Kopf. Es ist keine Saison, die meisten Cabanas, so heißen hier kleine Bretthütten für Touristen, sind geschlossen. Endlich! Die Besitzer einer kleinen Vermietung wohnen selbst auf dem Gelände. Sie vermieten uns bereitwillig eine Unterkunft, stellen noch bevor wir einziehen einen Heizlüfter in den Wohnraum. Natalya fängt sofort mit dem Kochen an. Der Besitzer klopft noch mal und erklärt uns, dass wir die Schuhe lieber mit in die Wohnung nehmen müssen. Diebe sind nicht zu erwarten, nur der Hund, den vorher die Kinder schon zur Tode gekrault haben, freut sich besonders über die draußen gelassene Schuhe… Wir sind so müde, dass wir fast sofort einschlafen.
Vielen Dank für die vielen Reiseberichte, ich freue mich jedesmal wenn es was neues gibt !
Erlebnisreiche Reise noch!
Peter
Danke, Peter. Schön dass dir unsere Artikel gefallen.
Grüße nach Deutschland
Thomas