SY Outer Rim – A Family's Sailing Adventure

Sailing across the world's oceans with four kids

Südamerikas Pracht-Metropole – Buenos Aires

(Tag 494)

Wenn von Argentinien in den Nachrichten die Rede ist, dann meistens von Finanzkrise und Staatsbankrott. Das Land war schon acht Mal Pleite. Bevor man hier ankommt, hat man ein armes Land vor Augen. Beim Ankunft in Buenos Aires stellten wir jedoch fest, dass die Stadt mit ihrer Pracht und Mondänität viele europäische Städte in den Schatten stellt. Anfang des letzten Jahrhunderts war Argentinien eines der reichsten Länder der Welt. Sowohl Staatsgebäude als auch Privathäuser wurden damals als prunkvolle Paläste und Villen gebaut. Viele davon stehen entlang der Avenida de Mayo, die den Regierungssitz (Congresso) mit dem 1 km entfernten Präsidentenpalast verbindet.
Am Plaza de Mayo vor dem Casa Rosada (dem Präsidentenpalast) sieht man am Boden gemalte weiße Kopftücher. Das sind die Zeichen der Madres de Plaza de Mayo – einer Frauenbewegung, die in der Zeiten der Militärdiktatur gegen spurlosen Verschwinden ihrer Kinder protestierte. Jeden Donnerstag sammelten sich die Mütter der Verschwundenen auf dem Platz und gingen stumm im Kreis herum, da Proteste im Stehen nicht erlaubt waren. Erst viele Jahre nach der Ablösung der Militärdiktatur wurde offiziell zugegeben, dass die Verschwundenen durch die Regierung entführt, auf grausamen Wegen gefoltert und umgebracht werden. Da die Leichen nicht auftauchen durften, mussten sie auch auf dubiosen Wegen beseitigt werden. Einige Tausend wurden aus Flugzeugen in den Atlantik geworfen. Erst nach 2003 wurden Gesetze erlassen, die die den juristischen Schutz der an Gräueltaten beteiligten Militärs aufgehoben hatten.
Die wirtschaftliche Lage im Land ist so instabil, dass selbst Argentinos ihrem Peso nicht trauen. Auf der anderen Seite ist es den Einheimischen nicht erlaubt (offiziell) ausländische Währung zu kaufen. Auf dieser Weise entsteht ein Schwarzmarkt für Dollar und Euro. Kaum betritt man die zentrale Einkaufstraße Calle Florida, hört man die Geldwechsler „Cambio, Cambio, Cambio…“ rufen. Ihr Kurs ist auch wesentlich günstiger als der offizielle. Thomas ist von einem solchen Geldwechsler in eine Hinterhof-Wechselstube geführt worden – die Tür wurde hinter ihm abgeschlossen. Dann ging alles ratz-fatz über die Bühne: ein paar Hundert Euro rüber und zurück kamen mehrere Tausend Pesos. Nach fünf Minuten war das Geld gewechselt – zu einem um 70% (!!) besseren Kurs als am Automaten oder in der Bank. Damit werden die teils horrenden Preise der Stadt etwas erträglicher.
Auch in den Restaurants und Cafes sieht man die Folgen der Währungskrise. Die Preise steigen teilweise so rapide, dass sie nicht mehr gedruckt, sondern in die Speisekarten per Hand eingeklebt werden. Man könne denken, eine solche Krise mache jeden arm, die Geschäfte bestätigen eher das Gegenteil. Ganze Straßen sind mit Luxusgeschäften voll, die Preise zum Teil doppelt so hoch wie in Europa.
An einer Stelle treffen wir auf eine besonders lange Schlage. Über ein Block lang, etwa 250 Meter führt sie uns durch die Calle Florida. Wir haben schon gehört, dass für ein Argentino Schlangen stehen zu einem der Kernkompetenzen gehört, und folgen ganz neugierig dem Verlauf der Schlage – die ganze Straße entlang und zwei Mal um die Ecke … Die wartenden stehen vor einem Buchladen! Mit einem frisch gedruckten Buch in der Hand warten sie auf ein Autogramm des Autors.
Steigt man in die Subté, die U-Bahn von Buenos Aires, merkt man schnell, dass die Mehrheit der Argentinier mit dem Luxus der Prachtstraßen wenig zu tun haben. Sie beschweren sich über das schlechte Bildungssystem des Landes. An einer der Station findet sich ein Schaufenster mit einer Installation: „Alle unsere Probleme sind Probleme der Bildung“. Jeder, der sich eine Privatschule leisten kann, schickt sein Kind nicht an eine staatliche Schule. Von Luxuskleidung ist hier auch nichts mehr zu sehen. Wer sich das leisten kann, mischt sich nicht unter das „einfache Volk“.
Das Highlight unseres zweiten Tages ist ein Naturwissenschaftliches Museum. Die Kinder sind ganz ungeduldig und können es kaum abwarten, bis das Museum aufmacht. Wie viele andere Museen der Stadt ist es erst am Nachmittag geöffnet. Das Museum beherbergt eine beachtliche Sammlung von Fossilen, vor allem denjenigen, die in Argentinien ausgegraben wurden. Schon der Name des größten Exemplars – Patogosaurus – weist auf den Fundort hin. Unsere Großen gehen begeistert von einem riesigen Skelett zum nächsten. Vor allem fossile Säugetiere wie Säbelzahntiger, südamerikanische Elefanten, Megaterium und Glyptodon sind ihnen neu und daher besonders interessant. Es ist gar nicht so lange her, dass sie ausgestorben sind. Man weiß nicht sicher, ob die Menschen sie mit ihren immer besser werdenden Waffen ausgerottet haben, oder sie die Klimaveränderungen nicht ertragen konnten. Ein Glyptodon sieht aus wie ein Meerschweinchen in King-Kong Größe, bedekt mit einem Schildkrötenpanzer. Während die Großen die Skelette erkunden, entdeckt Arvid einen archäologischen Sandkasten für Kinder unter fünf. Ganz begeistert gräbt er Knochen aus und säubert sie mit angebundenen Pinseln. Mindestens Hundert mal erzählt er danach über „nocken din, nocken din!“ (Knochen drin). Als es so weit ist, dass wir das Museum verlassen müssen, um unseren Bus nach Paraguay nicht zu verpassen, sind alle ein wenig enttäuscht. Die Zeit ist so schnell verflogen.

Ein Kommentar zu “Südamerikas Pracht-Metropole – Buenos Aires

  1. Christa
    30. September 2015

    Lieber Thomas, liebe Natalia, so gerne lesen wir die Berichte von
    eurer spannenden Reise! Habt lieben Dank und weiter so!
    Herzliche Grüße aus Icking
    Christa und Dani

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 30. September 2015 von in Uncategorized.
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