(Tag 475 – 9.388 sm)
Geschafft – wir sind in Uruguay! Hinter uns liegen die segeltechnisch wohl kritischsten 600 Meilen unserer bisherigen Reise. Die Küste zwischen Florianopolis in Brasilien und der Rio Plata Mündung in Uruguay bietet so gut wie keinen Schutz. Es gibt gerade zwei Häfen auf der gesamten Strecke, die wir zum Schutz vielleicht anlaufen könnten. Der Rest besteht aus flachen Sanddünen ohne Buchten. Davor ist das Wasser so flach, dass man teilweise in 30 Meilen Abstand zur Küstenlinie nur 20 Meter Wassertiefe vorfindet. Das beunruhigendste ist aber, dass sich das Wetter sehr schnell und unvorhersehbar ändern kann. Gefürchtet sind die Pamperos, plötzlich hereinbrechende Stürme aus Süd, die bis zu drei Tagen anhalten können. Bei den geringen Wassertiefen baut sich dann sofort eine sehr bedrohliche Welle auf. Und wenn man dann keinen Hafen oder eine Bucht in der Nähe hat, um Schutz zu finden, kann das schon sehr unangenehm werden. Auf der Fahrt nach Itajaí hatten wir das ja auch erlebt – unvorhergesagt, mit 70 Knoten Wind.
Seit Wochen hatten wir daher das Wetterverhalten im Süden Brasiliens beobachtet. Immer wieder wurden dabei Warnungen vor Sturm und sehr hoher See herausgegeben. Alleine davon zu lesen war schon beunruhigend. Aber wir wollten weg aus Itajaí, auch wenn es dort recht nett war. Thomas hat nächste Woche einen Flug nach Deutschland von Montevideo aus gebucht, und der sollte erreicht werden.
Letzten Dienstag noch wütete draußen ein Südwind, der uns selbst in der Marina noch mit Böen von 50 Knoten kräftig durchschüttelte. Für den nächsten Tag war dann zwar raue See, aber weniger Wind vorhergesagt. Das sollte unser Wetterfenster sein: Wir legten Mittwochmittag in Itajaí ab. Kaum waren wir auf See war klar, dass das mit dem wenigen Wind wirklich stimmt. An Segeln war erst mal nicht zu denken, der Motor blieb an. Wenigstens war auch die Welle gering. Gegen Abend frischte dann der Wind auf und es ging segelnd weiter. Einmal mehr freuten wir uns über die guten Am-Wind-Eigenschaften der Outer Rim, kam doch der Wind deutlich südlicher als gewünscht.
Am nächsten Tag das gleiche Spiel: Eine längere Motorfahrt unter Tags. Da fragt man sich dann schon, warum man den Mast mit rumschleppen muss, wenn dann doch nur der Motor läuft. Und dann der Schreck – Motor fällt aus. Thomas ruhte sich gerade unter Deck aus als Natalya mit der schlechten Nachricht angestürmt kommt. Erneutes Anlassen … erneutes Absterben. Warum passiert sowas nicht auf Ihla Grande zwischen zwei schönen sicheren Ankerbuchten, sondern 200 Meilen vor dem nächsten Hafen? Nach der Ursache suchend begab sich Thomas in den Maschinenraum. Aus dem Zentrifugal-Dieselfilter tröpfelte eine dunkle Brühe mit schwarzen Klumpen. So sollte Diesel nicht aussehen. Ein Blick in den Hauptfilter: Alles dicht. Also ist erst Mal Filterwechsel angesagt. Ein Blick in die Anleitung verrät, dass man das Filtergehäuse vor Starten des Motors mit frischem Diesel fluten soll. Aber woher nehmen? An den Diesel im Tank kommt man so schnell nicht ran. Mit einigen Anlassversuchen schafft es dann der Motor selbst, so viel Diesel anzusaugen, dass der Filter geflutet wird. Gelernt haben wir dabei, dass immer etwas Diesel in einem Kanister dabei sein sollte. Geblieben ist aber das ungute Gefühl, woher die schwarzen Klumpen im Diesel kamen. War das Dieselpest?
Abends ging es dann wieder richtig zur Sache. Der Wind frischte auf, wir refften schrittweise die Segel. Am Schluss blieben wir im vierten Reff, um die 35 bis 40 Knoten Wind abzusegeln. Vorhergesagt war das natürlich wieder mal nicht – im Wetterbericht stand etwas von 4 bis 5. Nicht zum ersten Mal hatten wir das Gefühl, dass bei der Vorhersage 4 bis 5 bft eher 45 kn zu erwarten sind. Glücklicherweise kam der Wind nicht von vorne, so dass wir Halbwind segeln konnten. Unangenehm war allerdings die Welle. Im flachen Wasser baute sich schnell ein hoher Hack auf. Es dauerte nicht lange, da war einigen an Bord sehr übel – inkl. Skipper, der sich schnell von seinem Mageninhalt trennen musste und dann später immer mal wieder prüfen musste, ob sich nicht doch noch irgendwo etwas im Magen versteckte. Der versprochene Fernsehabend mit “Cars” wurde abgesagt, die Kinder retteten sich vor der Seekrankheit in den Schlaf. Ganze 12 Stunden mussten wir den Starkwind ertragen. Die Wellen schlugen kräftig gegen das Boot, besonders wilde stiegen ins Cockpit ein … dann wurde es allmählich weniger und die See ruhiger.
Zum Schluss der Überfahrt hatten wir dann noch einen versöhnlichen Segeltag: Keine Welle, Wind von Südost in ausreichender Stärke – und vor allem Sonne satt. Wir segelten ruhig die Küste von Uruguay entlang, die so niedrig ist, dass man sie kaum sehen kann, und beobachteten Albatrosse und Seeschwalben. Ab und zu schaute ein kleiner Pinguin bei uns vorbei und weiter südlich dann einige Robben oder Seehunde. Ein toller Abschluss.
Ankunft in Piriapolis war um 4 Uhr morgens. In den uns unbekannten Hafen wollte wir da nicht einfahren. Also ankerten wir direkt davor und legten uns in die Kojen. Am Morgen ging es dann zuerst mit dem Beiboot in die Marina, um die Lage zu sondieren. Nach einigem hin und her bekamen wir einen Platz zugewiesen. Beim Vertäuen des Bootes tauchte direkt hinter dem Dinghy ein riesiges Etwas auf. Ein brauner runder Rücken glitt an Thomas vorbei und tauchte wieder ein. Mittlerweile gehören die zwei Seelöwen, die hier im Hafen fröhlich rumturnen, fast zu unseren Haustieren. Seit gestern genießen wir die Ruhe eines kleinen Hafens und freuen uns über die gelungene Überfahrt.