(Tag 454 – 8.336 sm)
Westlich von Rio de Janeiro beginnt einer der wohl schönsten Küstenabschnitte Brasiliens, die Costa Verde. Breite schneeweiße Strände säumen das Meer und gehen über in steile, mit Regenwald bedeckte zerklüftete Berge. Für uns Segler bieten sich unzählige geschützte Buchten an. Vorgelagert sind große und kleine Inseln, die das Bild abrunden. Eine dieser Inseln ist die Ilha Grande von der wir schon viel Lob im Voraus gehört haben. Alle schwärmten von diese Insel, die – wie der Name schon sagt – die größte Insel in der Umgebung ist und ganz ohne Autoverkehr einen ganz besonderen Charme hat.
Seit geraumer Zeit freuten wir uns somit auf den Besuch der Ilha Grande … und wir wurden bei Ankunft nicht enttäuscht. Der Weg hierher war nicht gerade so, wie man sich das als Segler wünscht. Am Abend verabschieden wir uns von Rio und fuhren aus der Bucht von Niteroi heraus und an Rio vorbei. Das Lichtermeer ist gewaltig, hoch über der Stadt schwebt weiß beleuchtet die Christusstatue auf Corcovado. Die Stimmung passt, alle freuen sich auf die sagenhaften Strände der Ilha Grande… nur leider gibt es überhaupt keinen Wind. Die ganze Strecke müssen wir unter Motor fahren. Der Seegang ist beträchtlich und ohne Stützsegel rutscht und klappert alles im Schiff, was nicht niet- und nagelfest ist. Die Kinder können trotzdem die Nacht durchschlafen und wachen in einer stimmungsvollen Bucht im geschützten Norden der Insel auf. Dicht bewaldete Hügel umgeben uns. Türkisfarbenes Wasser plätschert gegen das felsige Ufer.
Durch den Wald wandern wir auf einem Trampelpfad auf die andere Seite des Hügels zum Strand Lopes Mendes am offenen Atlantik. Als wir ankommen ist der kilometerlange Sandstrand noch ganz menschenleer. Der Sand ist so fein, dass er unter den Füßen knirscht. Mit seinem Surfbrett stürzt sich Vsevolod begeistert in die Wellen. Andere Familienmitglieder stehen Schlange, um das Brett ausleihen zu dürfen. Als unser Sohn das erste Mal von einer Welle überrannt und unter Wasser gezogen wird, legt sich die Begeisterung. Kurze Zeit danach ist der Schreck vergessen, und er hat wieder Riesenspaß. Auch Franka findet daran ihr Gefallen und wünscht sich ein eigenes Surfbrett zum nächsten Geburtstag.
Gegen Mittag kommen andere Badegäste, die mit Taxibooten aus Angra dos Reis und Umgebung gebracht werden, und wir wenden uns zum Gehen. Auf dem Rückweg werden wir von einem entsetzlichen Geräusch begleitet. Man hat das Gefühl, dass jemand im Dschungel den Fernseher mit einem laufendem King-Kong Film extra zu laut aufgedreht hat. Ein ortskundiger erklärt den aufgeregten Beobachtern, es seien Affen. Denen gefällt es nicht wirklich, das durch ihr Revier so viele Menschen laufen.
Wegen einer Starkwindwarnung suchen wir uns am zweiten Abend einen besser geschützten Platz und verlegen in die Saco de Ceu, eine Bucht, die ziemlich vor jedem Wind geschützt wird. Am nächsten Tag ist es Wochenende und Motorboote kommen wie ein ausschwärmendes Bienenfolk. Die Boote werden möglichst nahe an den Strand gefahren und mit einem Heckanker fixiert. Dann werden Grills angeworfen und harte Drinks ausgeschenkt. Laute Musik begleitet das Geschehen. Auf dem Vordeck tanzen und räkeln dann Bikini-Schönheiten. Wir fliehen lieber mit unserem Dinghy an einen leeren Strand in der Nähe. Am Abend gehen dann die Anker auf und mit Sonnenuntergang ist der Spuk zuende und die Bucht gehört uns für die Nacht.
Am nächsten Tag das gleiche Spiel in einem noch interessanterem Setting. Die Bucht an der Ilha de Macacos ist umgrenzt von drei kleinen Inseln. Ankern kann man auf sandigem Grund bis sehr nahe an das Ufer. So sehen wir bereits bevor unser Anker fällt Rochen und Fische unter uns. Es ist noch früh am Vormittag, so dass wir die kleine Bucht fast für uns alleine haben und ungestört Schnorcheln und dabei auch einige Seesterne beobachten können. Gegen Mittag beginnt dann das gewohnte Spiel: Ein Motorboot nach dem anderen fährt mit Vollgas bis fast an den Strand heran, stoppt ab und wirft Anker und Heckanker, um dann gleich Musik anzuschalten und den Grill anzuwerfen. Am frühen Nachmittag ist der kleine Strand fast nicht mehr zu sehen … Boot an Boot, teilweise im Päckchen. Es werden Jetskis und Dinghys zu Wasser gelassen und damit in Hochgeschwindigkeit herum gefahren. Es gibt auch Dienstleister, die sich auf das Treiben eingestellt haben. Eine mobile Küche bietet warme Speisen an und liefert direkt ans Boot. Es gibt Bier und kalte Getränke und sogar Eis wird vom Schlauchboot angeboten. Den Sonnenuntergang genießen wir wieder alleine.
Unser letzter Stopp auf der Ilha Grande war in der Saco da Longa. Hier liegt ein kleines Fischerdorf, davor liegen einige Fischerboote an Mooringbojen. Da der Grund sehr schnell tiefer wird, mussten wir uns wieder nah an die Felsen legen. Auch hier glasklares Wasser mit Fischen direkt am Boot. Eigentlich wollten wir hier frischen Fisch kaufen. Nichts liegt näher, als das in einem Fischerdorf zu tun. Aber alles was wir auftreiben konnten waren gefrorene kleine Fischchen zu überteuerten Preisen. Scheinbar wird der gefangene Fisch bereits in Angras entladen und die Boote kommen leer zurück. Somit kamen wir von unserem Dorfrundgang ohne Beute zurück, aber reicher an Eindrücken.