(26.09.2017 – Tag 1.192 – 23.774 sm)
Obwohl der Massentourismus auf Vanuatu noch keinen Einzug gehalten hat, findet man vereinzelt doch einige Orte, deren Bewohnern die Segler ausschließlich als Geldquelle betrachten. Ausrechnet bei den gut geschützten Ankerplätzen zwischen den der großen Insel Malekula vorgelagerten Inselchen, den Maskelyne Islands, pflegt man einen für Vanuatu sonst unüblichen kommerzialisierten Umgang mit Besuchern. Unsere Freunde erzählen uns von einem Chief, der sich selber bei ihnen zum Dinner eingeladen hat, doch kaum was von den aufwändig zubereiteten Gerichten essen wollen. Appetit hatte er nur noch aufs Geld. Nach einiger Zeit zog er einen Zettel aus der Tasche mit der Bitte um eine Geldspende für die lokalen Kinder. Unser Revierführer berichtet von unangenehmen Erfahrungen mit den nach Zigaretten und anderen Konsumgütern bettelnden Fischer. Solche Erfahrungen wollen wir in dem sonst so schönen und gastfreundlichen Land vermeiden.
Wir wollen uns die Maskelyne Island nicht entgehen lassen, sind aber etwas unentschlossen, welche Ecke die Richtige für uns ist, und wählend auf gut Glück einen Ankerplatz hinter der Insel Awei, der westlichsten der kleinen Inseln. Als wir um die Ecke in die Bucht einbiegen wollen sehen wir, dass wir nicht alleine hier sind. Ein seltener Fall für Vanuatu – die kleine Bucht ist fast voll. Vier Katamarane liegen schon hier vor Anker und mit unserem Tiefgang können wir die freien Plätze am Rand nicht nutzen. Doch es ist zu spät, um ein neues Ziel zu suchen. Auch in Vanuatu will man nicht bei schlechtem Licht verlegen. Thomas wirft den Anker am Rande des Ankerfeldes. Während die inneren Plätze gut vor Wind geschützt sind, bläst uns der Wind etwas um die Ohren.
Bevor wir an Land gehen, beobachten wir mit Interesse ein kleines Auslegerkanu mit einem riesigen, sicherlich eine Tonne fassenden Wassertank zu den Katamaranen rudernd. Verkaufen die Einheimischen Wasser an die Segler? Während Thomas versucht unseren stotternden Generator zum Laufen zu bringen geht Natalya mit den Kindern an Land. Sie spielen ganz vergnügt am Strand, bauen aus einem unterspülten halb im Wasser liegenden Baum ein Haus mit Küche und Garten. Natalya geht ein wenig zwischen den Mangroven spazieren. Die Füße versinken ab und zu bis über den Knöchel im weichen Schlamm. Da wird schon nichts Böses drin leben. Die Insulaner laufen hier ja auch barfuß. Der Pfad verliert sich zwischen ein paar kleinen Gemüseparzellen. Fast alle kleinen Felder sind leer. Nur einige Bananenstauden tragen noch dürre Früchte. Hier finden wir sicherlich kein überragendes Angebot an frischem Gemüse.
Zurück am Ufer lernen wir den Chief der Insel mit ca. 30 Einwohnern kennen. Ibrahim heißt uns willkommen und hat Zeit und akzeptables Englisch, um mit uns zu reden. Er berichtet uns von seiner größten Not. Dieses Jahr regnet es auf den Inseln so wenig, dass der kleiner Fluss auf der Hauptinsel Malekula, zu dem sie normalerweise per Kanu fahren, um Wasser für ihr Dorf und die Felder zu holen, derzeit kein trinkbares Wasser mehr führt. Zwar besitzt die Grundschule auf der Nachbarinsel eine kleine Entsalzungsanlage, doch auch dort leidet die Wasserqualität sehr. Der Salzgehalt sei so hoch, dass die Kinder das Wasser nur ungerne trinken. Von der vier hier liegenden Katamaranen hat jeder etwa 200 Liter Wasser gespendet, dass mit dem großen Tank eingesammelt und ins Dorf gebracht wurde. Sicherlich hätte er auch von uns gerne Wasser, aber es kommt weder eine Bitte noch eine direkte Frage. Natalya erklärt unsere Situation mit dem aus unbekannten Gründen stotternden Generator. Wir müssen selber schauen, dass wir über die Runden kommen, sollte er ganz ausfallen. Ibrahim lädt uns auch ein, sein auf der entgegengesetzen Seite der Insel liegendes Dorf zu besuchen. Dort gäbe es auch Spielkameraden für unsere Kinder, falls sie sich welche wünschen. Unsere Kinder haben sich in ihr Spiel vertieft und bleiben heute lieber unter sich.
Am nächsten Tag laufen wir zum Dorf. Die aus wenigen traditionellen Bambushütten bestehende Siedlung ist überschaubar. Wir beobachten, wie Pfähle für ein neues Gebäude in die Erde geschlagen werden. Mehrere Männer packen bei der schweren körperlichen Arbeit gemeinsam zu. Ibrahim ist nicht da. Wir sprechen mit seinem Bruder Thomas über das Leben im Dorf. Der scheint ein geistlicher Führer der Gemeinde zu sein und zeigt uns seine kleine Kirche. Christliche Werte bedeuten ihm sehr viel. In dem kurzen Gespräch geht er extra darauf ein, dass er hier keine Schwarzen und Weißen oder Reiche und Arme sieht. Alle seien für ihn Menschen, die vor Gott alle gleich sind. Thomas erzählt zwar auch, dass er, um seine drei Kinder in die Sekundärschule zu schicken, jedes Trimester sehr viel Geld auftreiben muss, es kommt aber keine Beschwerde, dass es unzumutbar sei oder dass die Regierung etwas ändern müsse, und erst recht keine Bitte an uns um eine Geldspende für die Kinder wie bei unseren Freunden. Der Mann hat vielleicht kein einfaches Leben, aber er fügt sich mit Demut in sein Schicksal. Seine Ausstrahlung, seine Ruhe und Zuversicht beeindrucken uns sehr.
Bevor wir das Dorf verlassen, bekommen wir einen Kinderrucksack in die Hand gedrückt mit der Bitte, die darin befindenden elektronischen Geräte falls möglich zu reparieren. Ein Radio kann Thomas mit einem Lötkolben zum Laufen bringen. Die zwei Inverter sind ohne geeignete Ersatzteile nicht mehr zu retten.
Wir treffen die Entscheidung, am nächsten Tag in die nahe gelegene Gaspard Bay zu verlegen. Die Bucht ist bekannt für die dort lebenden Dugongs. Vielleicht haben wir dieses mal mehr Glück und bekommen die scheuen Tiere zu Gesicht.