SY Outer Rim – A Family's Sailing Adventure

Sailing across the world's oceans with four kids

Ein etwas holpriger Abschied von Fidschi

(07.09.2017 – Tag 1.173)

Die Pazifik-Saison schreitet fort, und es ist an der Zeit, uns von Fidschi zu verabschieden. Thomas schaut seit Tagen nach einem passenden Wetterfenster für die Passage nach Vanuatu. Das Fenster, welches wir uns aussuchen, ist mit nur wenigen stabilen Passattagen ziemlich knapp bemessen. Bevor wir los segeln, müssen wir noch in Lautoka ausklarierieren. Alleine dafür brauchen wir zwei Tage (nein, nicht für die Ausklarierungs-Prozedur, sondern ein Tag um nach Lautoka zu kommen und einer für Ausklarieren und Verproviantierung).

Da wir von vielen gehört haben, wie unangenehm die Bucht vor Lautoka wegen der Abgase der Zuckerraffinerie sein kann, ankern wir am Tag vor dem Ausklarieren einige Meilen davor. Bis dorthin haben wir sehr angenehmes Segeln. Mit halbem Wind und strahlendem Sonnenschein geht es von Musket Cove bis in die Saweni-Bucht hinein. Nach einer ruhigen Nacht segeln wir am nächsten Morgen weiter.

Zur unserer Überraschung liegt Lil’Explorer vor Lautoka. Wir fahren gleich mit dem Dinghy vorbei, und die Kinder würden so gerne zusammen spielen, aber bei dem heutigen Stress ist es leider unmöglich. Während Thomas alleine zum Ausklarieren geht, fragt sich Natalya mit den Kindern bis zum Markt durch, um für die Fahrt einen Vorrat an frischen Waren zu besorgen. Der Markt ist zwar nicht so üppig und authentisch wie in Savusavu, dafür sind die Preise sehr attraktiv. Als wir uns einen Blumenkohl aussuchen, schauen wir uns den genauer an, bevor er eingepackt wird, trotzdem ist man sich nicht sicher, dass sich dort keine Kakerlaken, die selbst am Tage am Stand herumlaufen, versteckt haben. Schnell ist unser Rucksack gefüllt. Im Markt tritt eines der Kinder Natalya hinten auf die Schlappe, danach muss sie barfuß weiter laufen. Keiner wundert sich, was eine weiße Frau mit einem großen Rücksack und vier Kindern barfuß in der Stadt macht. Auch in den Supermarkt darf man ohne Schuhe rein. Da kennen wir schon andere Länder, mit großen Schildern, die einem Zutritt ohne Schuhe verwehren.

Im Gegensatz zu Savusavu ist Lautoka indisch geprägt. Hier leben so viele Inder, dass man die ursprüngliche Bevölkerung kaum zu Gesicht bekommt. Der Supermarkt ist gut mit indischen Lebensmitteln bestückt. Kleine Läden verkaufen traditionelle und moderne indische Kleidung. Nachdem wir alle Besorgungen erledigt haben, gehen wir zusammen zu einem Inder zum Mittagessen. Unsere Kinder haben es nicht leicht mit der Auswahl der Speisen. Die meisten Sachen kennen sie noch nicht. Arvid bleibt bei weißem Reis, seine Geschwister probieren sich mutig durch.

Als wir zurück am Bord sind, ist es schon zwei Uhr. Wir haben noch etwa 30 Meilen bis zum Außenriff. Wenn wir heute nicht ablegen können, droht uns die Flaute unterwegs und vielleicht ein Samstags-Einklarieren mit extra Gebühr. Während Natalya noch mit dem Verstauen von Einkäufen beschäftigt ist, hebt Thomas schon den Anker. Als Preis dafür müssen wir die ersten drei Meilen motoren, bis unter Deck alles seeklar ist. Wir haben uns auch für den direkten Weg nach Westen entschieden. Der erscheint einfacher zu segeln, führt aber wieder einmal durch schlecht kartografiertes Gebiet. Thomas muss sich genau an den vorher mittels Satellitenbildern ermittelten Wegpunkten entlanghangeln, um kein Problem mit den vielen Riffen in der Gegend zu bekommen.

Kurz nach Denarau frischt der Wind auf. Für eine Passage durch die Riffe sind wir ein wenig zu schnell. Beim Versuch, die Genua zu reffen stellen wir fest, dass es nicht geht. Unsere Furling-Anlage dreht sich nach ein paar Umdrehungen nicht mehr. Die Hydraulik funktioniert nicht mehr. Wir müssen ein Segel von 110 Quadratmetern Fläche manuell einkurbeln, mit einer Notfall-Winschkurbel von 20 cm Länge an einer schwer zugänglichen Stelle direkt am Bug. Das Manöver dauert mindestens eine Viertelstunde bis wir endlich etwas von der Genua gefurlt haben. Thomas betätigt prüfend die Hydraulik des Großsegel. Sie scheint zum Glück noch intakt. Daher entscheiden wir uns gegen ein Umkehren und fahren weiter.

Der Wind nimmt weiterhin zu. Es ist an der Zeit, auch das Groß zu reffen. Der Skipper drückt wie gewohnt auf den Knopf, um das Segel einzurolllen: keine Bewegung. Schnelle Inspektion zeigt: kompletter Hydraulikausfall! Wir finden uns mit einem deutlich übertakelten Boot kurz vor der Dämmerung in einem mit Riffen gespicktem Gewässer wieder. So haben wir es nicht in einem Albtraum gesehen. Outer Rim rast mit 9 Knoten auf Raumwindkurs, und der Manövrierspielraum in den engen Gewässern ist zu klein, um hier eine langwierige Furling-Aktion durchzuführen – da wir vor dem Furlen des Großsegels erst die Genua einrollen müssen. Und das dauert alleine 30 Minuten.

Der Autopilot kommt mit der Steuerung nicht zurecht, Thomas muss das Ruder übernehmen. Umdrehen ist keine Option, gegen den Wind kommen wir nicht an! Der Skipper kämpft mit einem luvgierigen Boot und steuert auf die Öffnung im Außenriff zu. Als wir früher von Booten gehört haben, die mit 8 Knoten auf ein Barriereriff aufgelaufen sind, haben wir noch gelacht, was man wohl in der Nähe von Barrierriffen mit einer solchen Geschwindigkeit machen kann. Jetzt ist uns nicht mehr nach Lachen zumute. Wir selbst düsen in Sichtweite des Riffs mit 9,5 Knoten dahin. An Steuerbord ragt ein verrostetes Wrack aus dem Wasser und führt uns die unmittelbare Gefahr und ihre möglichen Folgen vor Augen. Nach der Passage durch den Pass überkommt uns eine riesige Erleichterung. Wir können verschnaufen, abfallen und das Segel einrollen. Hier ist genug Platz für das Manöver.

Da alleine für die Genua eine halbe Stunde für das Einrollen und eine weitere für das Ausrollen notwendig wäre, versuchen wir den Groß bei gesetztem Vorsegel zu reffen, was sich alles anderes als leicht gestaltet. Während Thomas das Boot mit dicht geholtem Groß genau im Wind hält, versucht Natalya am Mast die kurzen Momenten zu erwischen, in denen der nachlassende Winddruck das Einrollen ermöglicht. Der Arm wird beim Kurbeln an einer unbequemen Stelle so schnell müde! Die Segeln schlagen fürchterlich. Da wir den Schutz des Riffs schon verlasen haben, spielt der Schwell auch mit. Natalya schreit durch den Wind, sie könne nicht mehr. Der Skipper winkt zurück: „Doch, das kannst du schon!“ Das Segel muss so weit weg, dass wir für die Nacht wieder sicher den Autopiloten anschalten können. Nach einem anstrengenden Kampf gelingt und der Manöver. Wir haben es ohne Materialschaden überstanden.

Der Wind kommt aus günstiger Richtung. Die See ist ziemlich ruhig. Wir haben Zeit zur Ruhe zu kommen. Das Groß ist weg, die Genua so weit eingerollt, dass wir selbst bei stärkeren Wind nicht an Reffen denken müssten. So sind wir zwar jetzt untertakelt, aber für alle Eventualitäten gerüstet. Nach dem ganzen Stress meint es das Wetter auch gut mit uns. Nach drei Tagen kommen wir in der Bucht von Port Resolution auf Tanna an, ohne die Segelstellung noch ein einziges Mal ändern zu müssen.

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 7. September 2017 von in Uncategorized.
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