(15.06.2017 – Tag 1.090 – 21.972 sm)
Wenn die meisten Korallenatolle aus der Vogelperspektive wie eine Perlenkette aus über Riffe verbundenen kleinen Inselchen aussehen, ist Niue ein großer Solitär mitten im azurblauen, tiefen Wasser. Die schroffen Klippen dieser Insel fallen steil bis auf 4.500 m Tiefe ab. Obwohl Niue – wie die Atolle – vulkanischen Ursprungs ist, ist die Insel ein massiver aus den Tiefen des Ozeans ragender Korallenfelsen. Es gibt hier keine türkis schimmernde Lagune, kein für die Schifffahrt gefährdendes Saumriff, nicht mal ansatzweise ein Barriereriff, und demzufolge auch keinen vor den Launen des Ozeans und des Windes geschützten Ankerplatz, und keinen durch einen Wellenbrecher gesicherten Hafen. Die meisten Schiffe, die Niue besuchen, hängen an den im Westen der Insel angebrachten Mooringen. Kommt der Wind aus West, was mit gewisse Regelmäßigkeit passiert, wird das Mooringfeld schnell gefährlich und sollte schleunigst verlassen werden. Daher ist ein günstiges Wetterfenster ohne Westwinde für Niue besonders wichtig.
Unser Weg zu diesem Felsen gestaltet sich alles andere als einfach. Wir legen in Suwarrow bei schwachen Winden ab, allerdings mit der Vorhersage von frischem Südostwind. Wir wissen, dass dies auf einem Süd-Südwest-Kurs nicht angenehm werden wird. Aber die ersten paar Stunden fahren wir unter Motor an der Westseite des Suwarrow-Atolls entlang. Die See ist spiegelglatt, selbst außerhalb des Riffs. Als wir an Manu Island, einer der westlichen Motus des Riffs, vorbei kommen, sehen wir Unmengen von Vögeln über der Insel kreisen. Offensichtlich ist dies ein Brutplatz mit noch höherer Dichte als die Inseln, die wir besucht haben. Aber so alleine wie wir im Atoll waren, hätten wir es nicht gewagt, eine solche Strecke mit dem Dinghy zu fahren.
Bald kommt der vorhergesagte Wind und wir können Segel setzen. Anfangs segeln wir auf Halbwindkurs durch wenig Welle, aber dann dreht der Wind weiter südlicher als gedacht und nimmt bis auf über 30 Knoten zu. Wir segeln bei vier Meter Welle hart am Wind. Die Segel sind im dritten Reff. Mächtige Wogen brechen am Bug mit einem Krawall, der jedes Mal einer Explosion gleicht. Gischt fliegt über die Sprayhood bis ins Cockpit hinein und überzieht alle Oberflächen mit einer feinen Salzkruste. Jeder sucht sich eine kleine weiche Ecke im Lee, setzt sich den Kopfhörer auf und versucht ein Hörbuch zu finden, das vom Krach am Bug ablenken kann. Selbst Arvid kuschelt sich in Mamas Bett hinein und bewegt sich kaum.
Klettert die Outer Rim auf eine besonders hohe Welle, fliegt sie eine oder zwei Sekunden im freien Fall in das folgene Wellental hinunter. In der Nacht wacht Natalya gefühlt bei jedem freien Fall auf und kann sich nicht orientieren. Warum ist man plötzlich schwerelos? Die Krängung ist so stark, dass die Reeling im Lee im Wasser liegt, und die Leesegel im Bett an ihre Grenzen kommen. Natalya hadert mit sich und überlegt in der Nacht mehrmals, den Kurs zu wechseln und lieber etwa die gleiche Strecke mit einem günstigeren Windwinkel nach Samoa zu segeln. Doch wer weiß, ob wir noch mal ein günstiges Wetterfenster für Niue bekommen, und so bleiben wir dem Kurs treu, in der Hoffnung, dass der Wind wenigstens ein bisschen zu unseren Gunsten dreht.
Der Wind bleibt nur einen Tag so kräftig, nimmt am zweiten Abend leicht ab. Die See beruhigt sich auf 2,5 – 3 m Wellenhöhe. Jeder ist froh, wenngleich die Fahrt immer noch nicht einfach ist. Franka kommt aus dem Niedergang hoch zu Thomas und fragt: „Wird das die ganze Nacht so ruhig bleiben?“ … und prompt schlägt eine Welle über das Deck und spritzt alle nass. Ja, nach vier Meter Welle sind drei Meter eine Erholung. Aber auch unter etwas erleichterten Bedigungen hat keiner Lust, zu feiern. Heute haben wir 21.638 sm auf der Logge. Das entspricht den 40.074 km des Erdumfangs am Äquator. Das werden wir nachfeiern müssen.
Es bleibt eine Passage hart am Wind. Teilweise befürchten wir, dass wir nicht die nötige Höhe laufen können, um Niue zu erreichen. Aber am Schluss dreht der Wind doch etwas und wir können bis direkt zur Nordwest-Spitze von Niue segeln. Von der Passage ziemlich ausgezerrt wollen wir nicht noch eine Nacht auf See verbringen. Wir geben Gas, reffen etwa aus, auch wenn das mehr Schräglage bedeutet und der Autopilot hart arbeiten muss. Aber obwohl wir uns beeilen, schaffen wir es nicht bei Licht in Alofi anzukommen. Wir haben noch 5 Meilen vor uns, als die Sonne hinter dem Horizont verschwindet. Als wir uns dem Mooring-Feld nähern ist es inzwischen stockfinster, nicht einmal der Mond scheint.
Natalya versucht über Funk den Yachtclub zu erreichen, um sich nach der Mooringssituation zu erkundigen. Trotz mehrerer Funkversuche bekommt sie keine Antwort. Stattdessen meldet sich SY Emma Louise und dirigiert uns mit einer Taschenlampe zu einer freien Mooring in ihrer Nähe. Während Natalya und Thomas sich noch mit den Leinen beschäftigen, haben die Kinder schon ein Abendbrot vorbereitet. Kurz darauf fallen wir ins Bett und schlafen sofort ein. Die Nacht ist absolut ruhig, überraschenderweise kommt bei uns kaum Schwell an.
Niue haben wir-auch von Suwarow her kommend – 2010 besucht. Bin gespannt auf Euren Bericht, hat uns damals sehr gut gefallen.
So, endlich wieder Internet. Uns hat Niue auch echt gut gefallen. Der Bericht kommt … Rohentwurf steht 🙂