SY Outer Rim – A Family's Sailing Adventure

Sailing across the world's oceans with four kids

Vom Drift-Schnorcheln in Pässen und Sammeln von Holz

(16.04.2016 – Tag 1.030- 20.211 sm)

Der Wetterbericht verspricht ein paar ruhige Tage, die wir zum Pass-Schnorcheln nutzen können. Pass-Schnorcheln heißt Drift-Schnorcheln. Fast immer herrscht in den Pässen eine mehr oder weniger starke Strömung, entweder seewärts oder einlaufend in die Lagune. Diese Strömung macht man sich zu Nutze in dem man mit dem Dinghy bei einlaufendem Wasser so weit wie möglich (oder soweit man sich traut) Richtung offenes Wasser fährt, dort ins Wasser springt und sich dann mit der Strömung und dem Dinghy an der Leine wieder in die Lagune treiben lässt.

Natalya hat immer noch Bedenken, sich auf dieses Abenteuer ohne ein anderes Boot in der Nähe einzulassen. Seitdem unser Dinghymotor in Patagonien kopfüber baden war, läuft er nicht immer so zuverlässig wie gewünscht. Immer mal wieder muss Thomas mit den Macken des Motors kämpfen. Und da hinter dem Pass nur offener Ozean ist, will man nicht das Risiko eingehen, mit einem abgestorbenen Motor auf das Meer hinausgetragen zu werden. Wir freuen uns daher sehr, als wir unsere Freunde von SeismicWave auf VHF hören. Sie würden auch gerne dort schnorcheln und hätten auch gerne jemanden dabei. So vereinbaren wir schnell ein Treffen an dem Ankerplatz vor dem Otao Pass.

Also lassen wir den traumhaften Ankerplatz Nummer 7 hinter uns und verlegen wieder in die Nähe des Ostpasses. Wir kommen schon am Vorabend an und fahren noch schnell ans Ufer, um die alten Bekannten unter Wasser wieder zu sehen und eine frische Kokosnuss am Ufer zu knacken. Am Rückweg zur Outer Rim stirbt der Dinghymotor. Alle Versuche, den Motor zu starten, bleiben vergeblich. Muss das gerade jetzt sein, wenn SeismicWave extra von der anderen Seite der Lagune hierher kommt? Es ist schon so dunkel, dass man heute nichts mehr machen kann. Den nächsten Vormittag verbringt Thomas mit der Wartung des Motors. Die Nerven sind gespannt. Doch zu der vereinbarten Zeit nach einer schweißtreibenden Arbeit läuft der Motor wieder einwandfrei.

Beim ersten Versuch packen wir eine Sicherheitsreserve ins Dinghy ein: eine 5-Liter Wasserflasche, einen Benzinkanister, Werkzeug für den Motor und ein Funkgerät. Zusammen mit der Schnorchelausrüstung sieht das kleine Schlauchboot unglaublich voll aus. Sobald wir sehen, dass die Tide kippt und das Wasser beginnt einzulaufen, fahren wir Richtung Pass. Wie durch ein Wunder verwandelt sind die Eddies, die Strudel und das kochende Wasser vollkommen weg! Alles ist so ruhig und still wie ein sanfter breiter Fluss. Schon beim Blick ins Wasser vom Dinghy aus bleibt uns der Atem weg. Unter uns, unter unglaublich tief blauen aber immer noch kristallklarem Wasser, liegt ein geschlossener Korallenteppich.

Der erste Sprung ins Wasser bedarf einer kleinen Überwindung. Natalya lässt nur ungerne die Dinghyleine los. Thomas zieht das schwere Boot hinterher. Leider können die Bilder und Videos, bedingt durch fast vollständige Verschwinden des Rotanteils im Sonnenlicht mit zunehmender Tiefe, nur bedingt die Realität wiedergeben. Das Auge bzw. das menschliche Gehirn ist flexibler als eine Digitalkamera. Die Sicht ist so klar, dass wir die Tiefe eher durch die uns bekannten Fischarten einschätzen können. In 10 Meter Tiefe wirken sie schon ziemlich klein. Einige richtig große Fische, die wir noch nie gesehen haben sind dabei. Ein dünner grauer, etwa 1,5 Meter lang; einige dicke Barsche in fröhlich tropischen Farben, mit intensiv leuchtenden blauen Punkten. Als wir an die flacheren Stellen kommen, kehrt die Farbintensität zurück, die Korallen leuchten auf, die Fische glitzern in der Sonne.

Nach der ersten Passage klettern wir wieder ins Dinghy, vergewissern uns der Anwesenheit unserer Freunde, rasen schnell wieder zum Ausgang, nah an den offenen Ozean. Das hier ist mit Abstand bis jetzt unser bestes Unterwassererlebnis. Auch die Augen von Brett und Teresa leuchten. Die Crew vom Spunky, das auch in der Nähe ankert, kommt ohne lange zu überlegen hinzu.

Diese Erfahrung müssen wir unbedingt mit unseren Kindern teilen. Thomas fährt zur Outer Rim, Franka und Vsevolod tanzen schon ungeduldig auf dem Achterdeck und freuen sich unglaublich, dass die Eltern den Pass als kindersicher befunden haben. Nach dem ersten Durchgang sind sie von der Schönheit der Natur nicht weniger hingerissen als die Erwachsenen und fahren nach drei Durchgängen nur ungern zum Boot zurück. Beim letzten Mal kommt ihnen eine scheue Meeresschildkröte entgegen.

Am nächsten Tag ist das Wetter immer noch perfekt windstill. Gegen Mittag treffen sich alle Beteiligten wieder am Pass, ohne sich vorher großartig zu verabreden. Wer will denn freiwillig auf so eine Gelegenheit verzichten. Die Erfahrung zeigt, dass es doch mehr als nur sinnvoll ist, ein zusätzliches Dinghy in der Nähe zu haben. Bei einem der Versuche den Motor zu starten, reißt unsere Starterleine. SeismicWave schleppt Thomas und die Kinder wieder zu Outer Rim. Das erspart eine halbe Meile rudern.

Alles hat seinen Preis. So schön wie das Schnorcheln hier ist, ist der Ankerplatz bei Wind und Welle zu wenig geschutzt und unsicher. Für die nächsten Tagen ist eine Winddrehung auf West bis Südwest und dann Süd bis Südost vorhergesagt. Kommen wie das letzte Mal beim Einsetzen der Passatwinde heftige Squalls? Wie schlimm wird es werden? Wieder einmal liegen wir auf der falschen Seite der Lagune, im Norden. Eigentlich hätten wir jetzt in die südwestliche Ecke verlegen sollen, um dann morgen weiter nach Südosten zu fahren. Aber unser Plan ist, die kommenden Winde für das Segeln nach Tahiti auszunutzen. Die Navigation durch die Korallenköpfe der Lagune ist auch nicht ohne. Vor westlichen Winden liegen wir jetzt ehr ungeschützt mit über 10 Meilen Fetch, aber mit 15-20 Knoten sollte das noch auszuhalten sein.

Inzwischen liegen vier Boote hier, und alle werden mehr oder weniger nervös. Optionen werden abgewogen und Strategien diskutiert. Wir fühlen uns wie in dem alten Kinderwitz:

Gehen zwei Indianer zu ihrem Medizinmann und fragen: „Kannst Du uns sagen, wie in diesem Jahr der Winter wird?“ Der Medizinmann schmeißt einen Haufen kleiner Steinchen auf den Boden und sagt: „Das wird ein sehr kalter Winter, sammelt viel Holz zum Heizen.“ In den nächsten Tagen kommen immer wieder Indianer zu ihm und fragen dasselbe. Auch ihnen sagt er: „Sammelt viel Holz!“ Doch der Medizinmann ist sich nicht ganz sicher. Er denkt sich: „Ich muss doch mal beim Wetteramt anrufen, ob das denn auch richtig ist.“ Gesagt – getan. Er geht zum Telefon und fragt den Herrn vom Wetteramt: „Können Sie mir bitte sagen, wie in diesem Jahr der Winter wird?“ Der Herr vom Wetteramt antwortet ihm: „Das wird ein ganz harter Winter! Die Indianer sammeln Holz wie die
Verrückten.“

Verunsichert durch den ungünstigen Wetterbericht klopft erstmal Alex von Bob bei uns an. Sie hatten im letzten Jahr auch ein markantes Erlebnis auf der falschen Seite einer Lagune bei stürmischen Wind. So heftig wird es doch nicht sein, oder? Dieses Mal haben wir auch mehr Manövrierraum als in Makemo und auch schlauer, können berücksichtigen, dass unsere Kette durch all die Floatingbojen im Wasser leichter ist. Wir geben mehr Kette und bauen schon vorsorglich unser Sonnenverdeck ab.

Wir bekommen Besuch von Brett, um die Wetterlage zu besprechen. Auch sie sind unruhig, aber das Licht ist viel zu schlecht, um heute noch zu verlegen. Auch sie geben mehr Kette und hoffen, dass es reicht. Wir sehen, dass sie an der Kette basteln und prüfen noch mal zur Sicherheit unsere. Wie immer, hat sie sich wie eine schöne bayerische Bretzel um die Korallenköpfe gelegt. Es ist nicht so kritisch, aber die Versuche sie zu entwirren misslingen. Wir geben noch mehr Kette.

Spunky meldet sich über Funk. Sie fühlen sich auf dem Ozean sicher und hauen lieber ab. Wir beobachten sie beim Wegsegeln, und denken über einen sehr harten Winter nach… wissen die mehr als wir? Kaum ist Spunky weg, ist der erste heftige Squall da. Der Himmel wird in wenigen Minuten ganz schwarz, die ersten heftigen Windböen treffen ein, die Sicht beschränkt sich auf 50 Meter. Umso mehr wundern wir uns, dass in der westlichen Ecke, die auf dem Satellitenbild wie eine dichte Ansammlung an Korallenplitzen erscheint, kurz vor dem Einsetzen des Regens eine Yacht mit gesetzten Segeln zu sehen ist, die sich klar gegen den dunklen Himmel abzeichnen. Es gibt wohl angstbefreite Leute… Es fängt bestialisch zu regnen an. Dieses mal glücklicherweise ohne Winddrehung. Wir liegen noch nicht auf Legerwal, der Wind bläst parallel zum Ufer. Der Anker hält. Doch wir sind vorbereitet und beobachten das Geschehen aufmerksam, bereit, jede Sekunde den Motor zu starten.

In einer kurzen Regenpause schreien wir zu den Nachbarn hinüber, ob bei innen auch alles in Ordnung ist. Egal wie es einem geht, das Gefühl mit der Situation nicht alleine zu sein, gibt einem zusätzliche Sicherheit. Am Nachmittag dreht der Wind immer weiter. Bob verlegt etwas weiter östlich an eine Stelle mit vermeintlich etwas (wenngleich nicht viel) mehr Schutz. In der Nacht löst ein Gewitter das andere ab. Gegen Mitternacht ist der Wind so weit, dass wir wieder die Insel im Lee haben. Doch keiner der Squalls ist so stark wie der erster. Wir setzen Ankeralarm, Windgeschwindigkeitsalarm, und gehen mit einem Auge schlafen. Auch wenn der Wind mit gut 20 Knoten nicht heftig ist, sorgen 10 Meilen Fetsch für eine bewegte Nacht. Am nächsten Morgen sind wir froh das Sonnenlicht und somit die Manövrierfähigkeit wieder zurück zu haben.

Es wird ein sonniger Vormittag, so wie sich das für Ostern gehört. Die Kinder haben sich seit Wochen auf diesen Tag gefreut und fleißig gebastelt. Jetzt laufen wir kreuz und quer durch das ganze Boot auf der Suche nach Osternestern. Für jeden ist eines versteckt, auch für die Eltern. Erst recht an so entfernten Plätzen wollen christliche Traditionen gelebt werden. Natürlich sind die Kinder enttäuscht, dass die Osternest-Suche nicht an Land und dass der geplante Oster-Wettbewerb ausfallen muss, aber das Wetter zwingt uns zu handeln.

Nach dem Abschied von SeismicWave gehen wir Anker auf. Der starke Wind aus Südost wird bald einsetzen. Hier können wir nicht mehr bleiben. Die verhakte Kette sorgt für etwas erhöhten Adrenalinspiegel. Aus mehr als 15 Meter Tiefe kriegen wir sie im Notfall nicht ohne Taucherausrüstung hoch… und die haben nur Brett und Teresa, die sich auf den Weg in die Südostecke gemacht haben. Sie hätten auf uns zwar gerne gewartet und ggf. geholfen, aber unsere Zeitplanung passt nicht. Während wir auf das Stillwasser im Pass warten wollen, müssen sie die Vormittagsstunden ausnutzen, um bei gutem Licht und vor dem Starkwind an ihrem Ankerplatz anzukommen.

Doch alles geht dann doch leichter als gedacht. Wir haben kein Stress, genug Zeit und eine Portion Glück. Während Thomas am Bug steht und die Kette beobachtet, führt Natalya am Steuer seine Kommandos aus – Schub links, Schub rechts, Kette hoch, ein Stück runter … Nach einer Viertelstunde ist die Kette wieder frei, der Anker verstaut. Unser Tuamotu-Abenteuer geht zu Ende. Wir nähern uns dem Pass, der immer noch freundlich und einladend wirkt, durchfahren ihn ohne weitere Zwischenfälle und setzen Segeln auf den Weg nach Tahiti.

Auch wenn wir einige zum Teil sehr stressige Momente erlebt haben, gehört dieses Archipel zu den besonderen Highlights unterer Reise und steht afrikanischen Flüssen oder den Galapagos-Inseln in nichts nach.

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 16. April 2017 von in Uncategorized.
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