(22.03.2017 – Tag 1.005 – 19.553 sm)
Dass die polynesische Gastfreundschaft ohne Gleichen ist, wussten wir bis jetzt nur theoretisch. Bei so vielen Booten, die hier jedes Jahr ankommen, ist es kein Wunder, dass die anständige Bevölkerung eher auf Abstand geht und die weniger anständige sich schnell überlegt, wie man aus den angeblich reichen Bootsbewohnern Profit schlagen kann, was in einem Land mit einer sehr eingeschränkten Geldverfügbarkeit verständlich ist. Auf dem Rückweg von Ua Pou machen wir in der Bucht vor Taipivai Halt. Unser Wassermacher streikt nach wie vor, und dort gibt es gutes, leicht erreichbares Trinkwasser. Eigentlich hatten wir geplant, nach Ua Nuka zu fahren. Aber der vorhergesagte gute Wind für die Überfahrt dorthin kommt nicht und wir müssen unsere Pläne ändern. Außerdem entdecken wir einen Schaden am Großsegel, der unbedingt repariert werden muss. Segeln ist damit nicht möglich.
Nachdem die Wassertanks voll sind, machen wir einen kleinen Spaziergang zum kleinen Dorf, unter anderem in der Hoffnung, dort frische Lebensmittel von der Aranui zu finden. Doch das Sortiment des Dorfladens ist mehr als eingeschränkt: es gibt weder Käse noch Gemüse. Wir fragen ohne große Hoffnung nach Fisch und bekommen tatsächlich ein tiefgefrorenes Stück Thuna, zum gleichen Preis wie auf dem Markt (dort ist er dann allerdings fangfrisch). Wir sind schon fast wieder auf dem Rückweg als die Verkäuferin uns zurückruft und um die Ecke des Ladens herum führt. Dahinter befindet sich eine kleine Küche im Freien.
Ihr Mann ist gerade dabei Chips zu fritieren. Wir werden zum Probieren eingeladen, auch unsere sonst so konservativen Kinder greifen gerne zu. Die hauchdünn geschnittenen Chips schmecken wunderbar. Doch es sind keine Kartoffeln in der Küche zu sehen. Nur eine exotische grüne Frucht, die wir schon so oft an den Bäumen gesehen haben. Auch wenn die Chips nicht zur traditionellen marquesischen Küche gehören, ist hier die Brotfrucht seit je her ein Grundnahrungsmitteln. Das Originalrezept beinhaltet einen zerstampften, fermentierten Brei, der auch heute noch von den Insulanern gegessen wird. In den harten Zeiten ohne Kühlschränke und vor Einführung der Aranui hatten die Dorfbewohner große Gruben ausgehoben, in denen sie den Brei für schlechte Zeiten aufbewahrt haben. Klingt appetitlich? Heute bleiben wir lieber bei den Chips. Arvid schmecken sie so sehr, dass er die uns geschenkte kleine Tüte an sich reißt und von Teilen nichts hören will.
Auch manche Andere haben schon die Vorteile des Brotbaumes erkannt. Der englische König Georg der 3. kam auf die Idee diesen ertragreichen und kaum pflegebedürftigen Baum als Grundnahrungsmittel für die Sklaven auf den karibischen Kolonien zu etablieren. Den Auftrag, die Stecklinge von Tahiti zu den Westindischen Inseln zu bringen, bekam die berühmte Bounty unter dem Kommando von William Bligh. Nicht nur die Nutzung des knappen Trinkwassers zur Bewässerung der Bäume sorgte für Streit an Bord. Einige der Matrosen würden viel lieber zu ihren tahitianischen Frauen zurückkehren, als irgendwelche Pflanzen in die Karibik zu befördern. Nach einem kurzen Prozess wurde Bligh mit 18 ihm getreuen Matrossen in einem offenen und überladenen Boot im Bereich der Tonga-Inseln ausgesetzt. Die Inselbevölkerung wollte keine weißen Eindringlinge und schickte ihn weiter. Es grenzt an Wunder, dass die Ausgesetzten nach mehr als 3.500 Meilen durch die Torres Straße unbeschadet Timor erreicht haben, allerdings ohne Brotfruchtbäume.
Die Ladenbesitzer fragen uns, ob wir Bananen brauchen. Eigentlich hatten wir vor kurzem welche gehabt, deswegen fragen wir ohne großes Interesse, was sie kosten. Das Ehepaar bittet uns, eine der hier hängenden Stauden auszusuchen. Sie wollen sie gar nicht verkaufen, wir bekommen die Früchte geschenkt. Schade, dass wir nichts dabei haben, was wir zurück schenken könnten. Während es wieder mal regnet, setzen wir uns unter das Dach der Dorfkirche und essen ein paar Bananen. Trotzdem scheint die schwere sperrige Staude auf dem Rückweg immer schwerer zu werden. Da hilft es auch nicht, dass wir auf dem Weg schon fleißig davon essen.
Windstille und Schutz der Bucht nutzen wir, um unser geschädigtes Großsegel abzuschlagen. 90 Quadratmeter sperriges Segeltuch zu bändigen ist eine schweißtreibende Arbeit, insbesondere wenn dafür nur ein kleines Vordeck zur Verfügung steht und der Skipper alleine arbeitet. Auch sind einige der Segellatten gebrochen und die feststeckenden Teile müssen mühsam herausgeschoben werden. Nach ein paar Stunden liegt das Segel ordentlich zusammengefaltet auf dem Vordeck, die Latten repariert. Jetzt können wir nur hoffen, dass uns Kevin dieses Mal helfen kann und will. Sonst müssen wir ohne Groß bis Tahiti segeln.
Am nächsten Morgen verlegen wir in die große Bucht von Taiohae. Es sind immer noch überraschend wenig Boote dort, sogar weniger als bei unserer Abfahrt von dort. Die Hauptwelle aus der Karibik ist scheinbar noch nicht eingetroffen. Wir bringen gleich unser Groß zu Kevin. Ja klar, bis übermorgen ist es repariert. Wir hoffen das beste, aber als wir es zum vereinbarten Termin abholen wollen ist die Hälfte der besprochenen Arbeiten nicht erledigt. Thomas geht mit Kevin Naht für Naht durch und überwacht die durchgeführten Arbeiten. Das Ergebnis ist befriedigend, wird uns sicher bis nach Neuseeland bringen. Schnell ist das Segel an Bord gebracht, angeschlagen und die Latten wieder eingeschoben. Das Boot ist schon mal fertig für die Fahrt auf die Tuamotos-Inseln.
Auch unseren Lebensmittelbestand frischen wir für die bevorstehende Überfahrt und die Zeit in den Atollen auf. Dort gibt es ja keine frischen Produkte zu kaufen. Wir gehen zum letzten Mal auf den Markt frischen Fisch und Gemüse kaufen, verabschieden uns von Freunden und Bekannten. Der Wetterbericht für die Passage ist gut. Ein paar Tage soll der Wind mit guter Stärke und ohne viel Welle blasen.
Vorher wollen wir nochmal nach Taipiva, Wasser auffüllen (auf den Tuamtos gibt es auch kein Trinkwasser zu bunkern). Thomas will eh das Großsegel testen, ob alles in Ordnung ist. Daher nehmen wir auch in Kauf, dass wir die Strecke nach Osten gegen den Wind kreuzen müssen. Das Segel steht gut, wir machen auch ordentlich Geschwindigkeit in ruhiger See. Doch dann passiert das frustrierendste: Der Wind dreht so, dass der zweite Kreuzschlag in die entgegengesetzte Richtung zum ersten verläuft. Nach 8-9 Meilen Segeln haben wir gerade einmal eine halbe Meile Strecke gut gemacht. Der Motor muss ran, und am Ende wurden aus den 7 Meilen Strecke immerhin 7 Meilen Segeln und 8 Meilen Motoren. Sehr unbefriedigend.
Thomas holt mit den Jungs Wasser von Land und füllt unsere Wassertanks und -kanister randvoll. Natalya sucht im Ort Pampelmusen und bekommt auch eine ganze Ladung frisch vom Baum geholt. Eigentlich war gar keine Gegenleistung erwartet – es lebe die Gastfreundschaft der Polynesier – aber natürlich freute man sich über das mitgebrachtet Geschenk. Jetzt kann es losgehen.