(24.02.2017 – Tag 979 – 19.383 sm)
Zur Zeit herrscht auf den Marquesas eine lang anhaltende Flaute. Auf unserem Weg von Tahuata zu einer Bucht im Norden von Hiva Oa können wir nur in einer Düse zwischen den zwei Inseln mit leichtem Wind segeln. Als wir in die Abdeckung von Hiva Oa kommen, verlässt uns der Wind, und wir fahren den Rest der kurzen Strecke unter Motor. Wir steuern die Bucht Hanamenu im Nordwesten von Hiva Oa an. Es ist nur ein kurzer Zwischenstopp auf dem Weg zur Insel Nuku Hiva.
Im Gegensatz zu der vorherigen Bucht ist das Wasser in der lang gezogenen und flachen Bucht so trüb, dass man überhaupt nichts mehr sieht. Wir ankern in einiger Entfernung vom Ufer, die fliegenden Kakelaken und sonstiges Ungeziffer im Kopf. Als wir am Ufer ein kleines Dorf erblicken, hoffen wir auf Tauschgeschäfte mit Einheimischen. Vielleicht haben sie frisches Gemüse? Das Anlanden verläuft fast genauso abenteuerlich wir am Abenteuerstrand die Tage vorher, aber wir haben damit schon genug Übung. Kaum am Land werden wir von Horden an Sandfliegen intensiv begrüßt. So was haben wir noch nie erlebt. Wir fliehen Hals über Kopf ins Landesinnere. Natalya, die den Kindern mit den Schuhen hilft und auf Thomas, der noch das Dinghy sicher ankern muss, wartet, bekommt trotzdem ein paar Dutzend Bisse ab.
Das Dorf sieht sehr gepflegt aus. Es gibt auch eine saubere Trinkwasserquelle. Wenn man wollte, könnte man auch die vollen Wasserkanister durch die Brandung schmuggeln. Zum Glück haben wir noch genug Trinkwasser und die Aktion bleibt uns erspart. Neben einem der Häuser grast eine edel aussehende Stute. Zur Freunde der Kinder kommt ihr Fohlen direkt an den Zaun. Die Gärten sind ausgesprochen ordentlich, die Bäume gestützt, das Gras kurz geschnitten. An einer der Leinen flattert frisch gewaschene Wäsche. Alles ist so gut wie perfekt, nur eines fehlt: Menschen. Keine einzige Menschenseele, keine Katze, kein Bellen. Das Dorf ist gespenstisch still. Wir hören nur das Rauschen der Palmen und die Wucht der Brandung.
Auf einem gut ausgetretenen Pfad gehen wir durch das Dorf in den Wald hinein. Am Dorfausgang steht ein Paar Badelatschen ordentlich beisammen mitten auf dem Weg. Hier hat wohl einer seine Dorfschuhe gegen Wanderschuhe getauscht. Natalya sammelt am Boden unzählige Mangos. Die sind so reif, das sie es nicht mehr bis zum Boot schaffen. So werden sie direkt aufgegessen. Wir kommen an Spuren einer alten Siedlung vorbei. Viele sog. Paepae, also alte Steinfundamente, sind im Wald verteilt und teilweise dicht mit Vegetation überdeckt. Mehrmals überqueren wir ein ausgetrocknetes Flussbett. Der Breite nach zu urteilen, ist mit dem Flüsschen nach dem Regen nicht zu spaßen. Das Wasser rast von den Bergen Richtung Meer hinunter und nimmt alles mit, inklusive Palmenstämme.
Der Weg verzweigt sich immer weiter und wird undurchdringlicher. Mit kurzen Hosen und Schlappen wird es immer anstrengender weiter voran zu kommen. An manchen Stellen kann man frische Machetenspuren sehen. Aber wer auch immer hier durchgekommen ist, kümmerte sich nur um sein eigenes Durchkommen, und nicht um die allgemeine Instandhaltung des Pfades. Bei den hiesigen Bedingungen wird so ein Pfad schnell vom Dschungel verschluckt. Gefährlich wirkt der Dschungel zwar nicht, und mit Südamerika ist es kein Vergleich, dafür aber umso dichter im Unterholz.
Nach einiger Zeit drehen wir um. Vsevolod möchte einen alternativen Weg ausprobieren, und geht allein entlang des Flussbettes, in der Hoffnung dort weniger Mosquitos anzutreffen als auf dem Waldpfad. Zurück im Dorf ist immer noch kein Mensch zu sehen. Arvid entdeckt einen idyllischen Wasserpool mit kristallklarem kühlen Wasser, der von einem Bergbach gespeist wird. Tropisches Grün und Blüten hängen an der steilen Felswand. Ein Stück Seife und eine angefangene Shampooflasche liegen daneben. Vergnügt geht Arvid baden. Eine willkommen Erholung für seine Haut, die nichts mit hiesiger Hitze und dem vielen Salzwasser anfangen kann. Aber viel Zeit haben wir nicht mehr. Die anderen Kinder warten schon auf das Schuttle zum Boot.
Natalya nimmt eine neue Herausforderung auf sich und packt in die wasserfeste Tasche zusätzlich zu der Kameraausrüstung noch zwei große Kokosnüsse ein. Der letzte Kokoskuchen ist bei der Crew sehr gut angekommen. Beim Schwimmen zum Dinghy durch brechende Wellen wird das zusätzliche Gewicht schnell zu einer großen Last. Die Tasche und den Kopf über Wasser zu halten und gleichzeitig die Kinder im Wasser zu koordinieren wird zu einem Kampf. Aber auch das schaffen wir.