SY Outer Rim – A Family's Sailing Adventure

Sailing across the world's oceans with four kids

Stadtrundgang Quito

(22.10.2016 – Tag 854)

Wir hatten schon befürchtet, dass das Wetter so kurz vor der Regenzeit sehr instabil ist, und daher vorsorglich unser „patagonisches“ Outfit bestehend aus Regenhose und -jacke nach Quito mitgenommen. In Wirklichkeit ist alles viel entspannter. Fast jeder Tag begrüßt uns mit Sonnenschein und blauem Himmel. Erst am frühen Nachmittag kriechen massive dunkle Wolken über die umliegenden Berge ins Tal. Gegen Abend gibt es dann häufiger etwas Regen.

An unserem ersten Morgen in der Stadt nutzen wir das schöne Wetter und laufen durch die steilen, verwinkelten, mit Kopfstein gepflasterten Gassen Richtung einer großen gotisch anmutenden Kirche. Der Tag ist heiß, der Weg ist weit. Arvid meutert und will nur getragen werden. Keiner unserer Kinder war bis jetzt in diesem Alter so schwer gewesen. Ihn auf knapp 3.000 Meter Höhe über lange Strecken zu tragen wäre ein gutes Training für Extremsportler, die danach die Tour de France gewinnen wollen. Natalya und Arvid einigen sich auf ein unpädagogisches Abkommen. Arvid darf sich einen großen Schokobonbon kaufen, dafür verspricht er für den ganzen Vormittag das Jammern über die müden Beine abzustellen. Heute funktioniert das einwandfrei!

Die Basilica del Voto Nacional ist architektonisch gesehen nichts besonderes, da mit knapp 100 Jahren viel zu jung. Dafür darf man hier den Glockenturm besteigen, und unsere Kinder wollen das unbedingt machen. Das kleine Schild „Nicht für Kinder unter 5!“ überlesen wir gerne. Wahrscheinlich ist die Begrenzung der Aussichtplattform nicht kindersicher. Die erste Station auf dem Weg nach oben ist eine alte, wahrscheinlich ausrangierte Orgel. Unsere Großen bekommen einen Schreck als Arvid mit Schwung auf die Tasten haut – unter uns befindet sich das Kirchenschiff. Doch zu Arvids Enttäuschung erzeugen die Tasten keine Musik mehr.

Station Nummer 2 ist ein luxuriöses Restaurant, mit weißen Tischdecken – hoch oben im Glockenturm. Was würde wohl die katholische Kirche in Deutschland dazu sagen? Der weitere schmale Weg über eine hängende Holzbrücke führt über das innere Dach des Kirchenschiffes. Wir befinden uns zwischen dem äußeren Dach und dem Kirchengewölbe. Danach muss man an einer vertikalen Wand auf einer sehr steilen Leiter aus Metallstangen einige Meter hochklettern. An der Wand hängt ein netter Hinweis: Schlappen sind nicht empfohlen. Arvid will auf keinen Fall unten bleiben. Während Natalya wegschaut, steigt Arvid unter Papas Aufsicht hoch. Doch hier endet die Reise nicht. Eine steile offene Wendeltreppe führt weiter nach oben. Hier hat Natalya schon Bedenken, die Großen hoch klettern zu lassen. Doch sie wollen unbedingt weiter. Natalya muss schon wieder weggucken. Selbst Arvid ist von der Treppe so beeindruckt, dass er nicht mitgehen möchte und lieber mit Mama zurück bleibt.

Von oben öffnet sich ein fantastischer Blick auf die ganze Stadt. Im Norden stehen moderne Hochhäuser, der historische Stadtkern im Süden ist durchzogen von verwinkelten Gassen und alten Häusern. Überraschenderweise gibt es in Quito keine ausgeprägten Slumvierteln. Ganz behutsam, mit beiden Händen uns an die Treppe festklammernd, steigen wir wieder herunter. Unten betrachten wir die ungewöhnlichen Wasserspeier. Statt der üblichen hundeähnlichen Dämonen findet man hier Pelikane, Gürteltiere, Lamas und Tapire.

Am Nachmittag im Bus auf dem Weg zum Park unterhält sich Thomas mit einem Ecuadorianer, der ausnahmsweise perfektes Englisch spricht. Er erzählt uns, dass die Bevölkerung die Nase voll von der korrupten, nur sich selbst versorgender Regierung hat, weiß aber nicht, wie es sie loswerden kann. Trotz der Unbeliebtheit, wird der gleiche Präsident immer wieder „demokratisch“ gewählt. Kaum ein Land im Südamerika entgeht diesem Schicksal. Auch wenn das Militär nicht offen zu der Spitze der Mächtigsten gehört, begleiden die ehemaligen hochrangigen Militärs hohe politische Posten und üben einen großen Einfluss auf die politische Lage aus. Obwohl das Land über große Ölreserven verfügt, kommt der Erlös nicht beim Volk an. Während private Firmen Öl mitten im Regenwald fördern, beschäftigt sich das Militär damit, die protestierende indigene Bevölkerung möglichst weit weg von den Anlagen zu halten. Dank seiner geographischen Lage gehört Ecuador zu den artenreichsten Ländern der Erde. Nichtsdestotrotz wird auch in absolut einmaligen Nationalparks Ölförderung betrieben. Angeblich besonders umweltfreundlich. Wer Erfahrung mit der Art und Weise hat, wie hier zu Lande gearbeitet wird, kann darüber nur bitter lachen.

Die Parks der Stadt sind vorzüglich. Im Schatten der Bäume sind unzählige Spiel- und Sportplätze verteilt. An jeder Ecke werden Kuchen, Früchte, gegrillte Fleischspieße und Zuckerwatte verkauft. Unsere Kinder kommen auf die Idee ein 3er-Fahrrad für eine halbe Stunde zu mieten. Das sah von außen leichter, als das in Wirklichkeit ist. Natalya und Thomas fahren abwechselnd mit den Großen und kommen schnell ins Schwitzen bei dem Versuch das in alle Richtungen wachelndes Ungeheuer einigermaßen im Gleichgewicht zu halten und dabei keinen der Fußgänger zu überfahren. Die Kinder kichern und würden gerne noch länger fahren. Doch die Eltern sind erschöpft und können nicht mehr. Die Höhe ist deutlich spürbar.

Während die müden Kinder am Abend im Hotel Madagaskar 2 anschauen dürfen, haben Natalya und Thomas einen freien Abend und gehen in einen Salsabar. Getanzt wird bei Livemusik. In ganzem Lokal sind wir die einzigen Weißen. Aber zum Glück tanzen die anderen Tänzer auch alles andere als perfekt. Spaß macht es auf jeden Fall.

In der Nacht werden wir von einem markerschütternden Schrei geweckt. Franka behauptet, in ihrem Bett einen Kakerlaken gesehen zu haben und beruhigt sich erst als ihr Bett ausführlich untersucht wird. Natürlich finden wir keine Kriechtiere, aber unwahrscheinlich wäre es nicht gewesen.

Ein Kommentar zu “Stadtrundgang Quito

  1. Gross Eva
    24. November 2016

    toller Bericht und wie immer sehr schöne Fotos.

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 22. Oktober 2016 von in Uncategorized.
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