(17.08.2016 – Tag 788)
Als letzte Station in Argentinien wählen wir den Ort Purmamarca am Fuße des Paso Jama. Es scheint ein beliebter Urlaubsort der Argentiniern zu sein, ein Themenpark ihres indigenen Erbes. Der kleine Ort liegt in einem relativ engen Tal, durch das ein lebendiger Bergfluss sprudelt. Zwar führt dieser zur Trockenzeit kaum Wasser, aber dem Flussbett und den Ufern ist es deutlich anzusehen, was für eine Kraft der Strom nach einem heftigen Regen erreichen kann. Die umliegenden Berge sind für ihre prächtige Farbschichtung bekannt. Der bekannte Cerro de los Siete Colores – der Berg der Sieben Farben – liegt direkt hinter dem Dorf.
Während wir in Purmamarca nach einem Laden suchen, um für den heutigen Tag Proviant zu beschaffen, stellen wir verblüfft fest, dass es in dieser Touristenhochburg kaum etwas zu kaufen gibt… außer Souvenirs natürlich. Von einfachen Ramschartikeln bis hochwertigen schon Richtung Kunst gehenden Gegenständen ist alles vertreten: alles natürlich im Idianerstil. Schaut man genau hin, stellt man fest, dass es mit dem Stil nicht so konsequent durchgehalten wird. Auch hochwertige Keramikfiguren zeigen eher westlich gekleidete Indianer. Ein Hirte mit Schafen wirkt auch nicht wirklich authentisch.
Am Nachmittag unternehmen wir einen Ausflug zum etwas weiter nördlich gelegenen Ort Humahuaca. Die Landschaft ist ganz neu für uns. Es ist zwar wieder eine sehr trockene Gegend, aber bei weiterem nicht so lebensfeindlich wie die Atacama. Eine große Zahl an Pflanzen und Tieren hat sich den hiesigen Bedingungen angepasst. Am spektakulärsten sind die riesigen, wie gigantische Kerzenständer aussehenden Kakteen. Aus derem leichten und trockenen Holz bauen Einheimische gerne Möbel und Dächer. Vögel höhlen in ihrem Stamm Nester aus. Zwischen den beeindruckenden Stacheln sind sie vor allen Raubtieren gut geschützt. Und überhaupt, alles hier Wachsende hat so lange, spitze und harte Stacheln, dass wir unseren Kindern untersagen sich frei querfeldein zu bewegen. Die Stacheln sehen so aus, als ob sie nicht nur Kleidung und Haut leicht zerfetzen könnten, sondern auch locker die Schuhsohlen durchbohren würden.
Hier in Humahuaca ist noch viel vom kolonialen Erbe erhalten geblieben. Als wir im Ort ankommen, stehen die gesamten Schüler einer Mittelschule auf dem Schulhof und hören einer patriotisch anmutenden Rede zu. Unter mehr als hundert Kindern ist kein einziges weißes dabei. Manche Jungen und Mädchen, in weiß gekleidet, stehen ganz vorne. Scheinbar geht es um die Jahrgangsbesten, die ihre Auszeichnung und Lob erhalten. Alle Kinder schauen ganz ernst, nicht mal ein leises Gekicher aus den hinteren Reihen ist zu hören. Man kann sich leicht vorstellen, wie so eine Versammlung in der deutschen Realität verlaufen würde.
Die Höhe und die Hitze machen uns zu schaffen. Während Natalya und Thomas sich im Ort umschauen, setzen sich die Kinder in den Schatten und kraulen die Hunde durch. Das Dörfchen ist recht nett und der Spaziergang kurzweilig. Da wir unsere Kinder nicht mehr hören, gehen wir davon aus, dass sie schon zum Auto gelaufen sind. Doch als wir dort ankommen, sehen wir sie immer noch nicht. Während Thomas und Arvid im Auto warten, flitzt Natalya durch die Straßen auf der Suche nach den verschwundenen Kindern. Doch die Straßen sind leer. Erst als Natalya den ganzen Weg wieder zurück legt, findet sie die Kinder genau an dem selben Ort und mit dem selben Hund an dem wir sie vor einiger Zeit gelassen haben. Sie waren die ganze Zeit so leise, was wir nicht gewohnt sind. Daher sind wir davon ausgegangen, dass unsere Kinder schon weit weg sein müssen, außerhalb der Hörweite.