(12.08.2016 – Tag 783)
Beim Durchblättern des Reiseführers fühlen wir uns wie richtige Touristen. Alle Sehenswürdigkeiten der Gegend um San Pedro sind ausführlich beschrieben, mit einem bis drei Sternchen bewertet und mit einem happigen Preis versehen. Drei Sternchen sind ein Muss. Sollte man sich auf Grund eigener Meinung dagegen entscheiden, bekommt man fast ein schlechtes Gewissen. Und all die Agenturen der Stadt werden nicht müde, geführte Touren zu all den wunderbaren Zielen anzubieten.
Wir wollen uns zu nichts zwingen lassen und fahren am ersten Tag im San Pedro einfach los, um uns erst einmal einen groben Überblick über die Gegend zu verschaffen. Nicht weit des Dorfes machen wir den ersten Stopp vor der Schranke der Lagune Cejar. Das, was wir auf dem Schild lesen können, können wir kaum glauben. Um die kleine Lagune in der Größe eines Mühlenweihers zu besichtigen muss man 15 Euro pro Person zahlen – ok, Kinder unter 6 sind frei. Angeblich gibt es dort Flamingos. Für zahlende Touristen ist nah am Wasser ein kleiner Unterstand gebaut. Man solle sich dorthin begeben und warten bis die Vögel kommen. Wir kennen die scheuen Flamingos gut genug um beurteilen zu können, wie aussichtslos die Aktion wäre. Daher drehen wir auf der Stelle um, fahren ein kleines Stückchen weiter, lassen das Auto am Straßenrand stehen und wandern in Richtung Lagune querfeldein.
Die ganze Gegend um uns herum ist ein Teil des riesigen Salzsees Salar de Atacama. Das mit dem Salz stimmt zwar, aber „See“ klingt ziemlich irritierend. Trockene Salzkruste bedenkt den Boden. Als wir versuchen durch die spärliche vertrocknete Vegetation weiter zu kommen, stellen wir schnell fest, dass es aus der Ferne leichter aussieht als es tatsächlich ist. Der Boden wird weich und trägt uns immer schlechter je näher wir dem Lagunenufer kommen. Unsere Füße versinken mit jedem Schritt immer tiefer, nicht im Wasser sondern in weicher Erde. Die Kinder finden schnell eine Beschäftigung und graben „Diamanten“ – stecknadelkopfgroße harte Salzkristalle – aus. Im Gegensatz zum Rest der Atacama gibt es hier trotz der Trockenheit ziemlich viele Tiere. An den Wurzeln der vertrockneten Pflanzen sind eindeutige Knabbernspuren zu sehen. Die Kinder fragen besorgt, ob diese Tiere beißen können.
Ein paar Kilometern weiter machen wir zwischen zwei Wasserlöchern beidseits der Piste halt. Die zwei kleinen runden Seen wirken sehr erfrischend und tief genug, um Baden zu gehen. Vsevolod probiert vorsichtig das Wasser. Danach muss er lange spucken und schimpfen. Das Wasser ist viel salziger als im Meer, was inmitten eines riesigen Salzsees ja kein Wunder ist. Die Idee mit dem Baden wird schnell verworfen. Vielleicht ist das Wasser nicht einfach nur salzig sondern auch giftig? Am Fuße der Vulkane wäre das gut möglich.
Wir folgen dem weiteren Verlauf der Straße und machen an der nächsten Lagune halt. Kein Zaun, kein braunes Touristenschid, kein Eintritt. Dafür zwei Flamingos, die am Rande des Wassers in ihrer typischen Haltung mit dem Schnabel durch das Wasser pflügen. Viel Hoffnung haben wir nicht, aber wir probieren es trotzdem, zusammen mit allen Kindern nah genug an die Vögel heranzupirschen, um sie aus der Nähe beobachten zu können. Arvid wird sehr nachdrücklich darum gebeten, leise zu sein, was für ein permanent redendes Kind eine sehr große Herausforderung ist. Und dieses Mal haben wir tatsächlich Glück und kommen den Flamingos sehr nah. Thomas schafft sogar ein Paar Bilder zu schießen bevor sie auffliegen und in der Ferne verschwinden. Das Wasser der Lagune ist mit Salz gesättigt. Aber es gibt genug Pflanzen, die sich an die harten Bedingungen angepasst haben. Sogar unter der Salzkruste am Ufer wächst irgendwas Grünes.
Die Mittagshitze wird unerträglich, deshalb begeben wir uns auf den Rückweg, um uns im Schatten des Innenhofes von unserem Hotel zu verstecken. Am Nachmittag entscheiden wir uns doch für eine Sehenswürdigkeit mit drei Sternchen – Valle de la Muerte – das chilenische Tal des Todes. Eine Straße führt erst an einem Zahlhäuschen vorbei und dann durch eine ziemlich enge Schlucht aus rötlichem Gestein. Angeblich soll die Gegend der Marslandschaft am meisten ähneln. Wir lassen das Auto am Rand einer riesigen Sanddüne stehen und klettern hoch.
Es herrscht ein ziemlicher Betrieb, was schon ziemlich bizarr anmutet. In der unbarmherzigen Hitze schleppen junge Frauen und Männer unter sperriger Last tief im Sand versinkend Snowboards und massive Stiefel die Düne hoch. Doch außer dem „Ski-Lehrer“ beherrscht kaum jemand das Handwerk, mit dem Brett geschmeidig hinuntergleiten zu können. Die meisten bleiben schon nach einigen Metern im Sand stecken. Vsevolod, der vorher sich überlegt hat, wie toll es wäre mit dem Snowboard hier hinunterdüsen zu können, gibt auch zu, er hätte gedacht es sei einfacher. Wir ziehen die Schuhe aus und lassen unsere Füße im weichen, warmen Sand versinken. Während unsere Kinder an der Düne bleiben wollen, um sich im Sand einzugraben und auf dem Hinterteil runterzuruschten, erkunden Natalya und Thomas die Umgebung.
Das Gestein des Tals ist sehr weich und fast vollkommen vegetationslos. Im Strahlen der sinkenden Sonne wirkt der Boden mit der Zeit immer roter. Sobald man den Trubel der Snowboarder hinter sich gelassen hat, wird es absolut still. Vom Tod ist aber nichts zu sehen. Vielleicht haben die Einheimischen mit der Namensgebung ein bisschen übertrieben. „Der Tal der Stille“ würde vielleicht besser passen.