SY Outer Rim – A Family's Sailing Adventure

Sailing across the world's oceans with four kids

Ostern abseits vom Mainstream

(27.03.2016 – Tag 675 – 12.280 sm)

Nach vielen Wochen in den engen Kanälen und Caletas genießen wir den breiten offenen Horizont, der sich uns im Canal Messier öffnet. In der Ferne verschmilzt das Wasser des offenen Pazifiks mit dem Wolkenhimmel. Anstelle des fast schon obligatorischen Nordwindes weht heute ein leichter Südost: die nervige Welle von vorne und der mächtige Ozeanschwell, der sich sonst bis hier hereinarbeiten kann, bleiben uns daher erspart. Und obendrein können wir uns über strahlend blauen Himmel freuen.

Wir kommen gut voran, biegen nach Osten ab und gelangen in den Canal Baker. Nur selten kommen Segelboote hierher. Die meisten suchen am Ende des Canal Messier eine der vielen geschützten Caletas aus, um dort auf günstige Bedingungen für die Überquerung einer der berüchtigsten Strecken der Segler in dieser Region zu warten, den Golfo del Penas. Schon alleine der Name – Golf des Leidens – spricht für sich. Aber wir entscheiden uns für einen Umweg auf dem Weg dorthin.

Der türkisfarbene Canal Baker windet sich zwischen dicht bewaldeten schroffen Bergen. Unser Fortkommen wird durch den recht kräftigen Ebbstom gegen uns deutlich verlangsamt. Bis zu 2,5 Knoten werden uns von der Fahrt genommen. Das nervt. Mit entsprechendem quersetzenden Strom steuern wir dann in die Einfahrt zu unserem Tagesziel, dem Puerto Cueri-Cueri, hinein. Zwischen den steil aufragenden Felsen ist der schmale Einschnitt auf den ersten Blick schwer auszumachen. Und dann stimmt hier natürlich die Seekarte wieder mal nicht. Alles ist nicht unerheblich ggü. der Realität verschoben. Aber das sind wir ja jetzt schon gewohnt.

Am Ende eines kurzen Fjords liegt gut geschützt eine große kreisförmige Bucht. Rings herum rahmen steile Felswände die Ankerstelle ein. Heute dürfen wir frei ankern. Das sind wir gar nicht mehr gewohnt und fühlen uns in einem großen Bassin anfangs ein wenig verloren.

Die Kinder sind ungeduldig und wollen sofort an Land. Die letzten Tage waren wir viel unterwegs. Franka bleibt am Bord und bereitet sich auf die Rolle des Bord-Osterhasen für Ostersonntag vor. Der Strand ist von einem fast undurchdringlichen Gebüsch gesäumt. Da wir fast bei Hochwasser ankommen, befindet sich fast das gesamte Ufer unter Wasser. Die Kinder spielen im dichten Gras. Das Gras ist so hoch, dass Arvid dort vollständig verschwindet. Eine Horde laut kreischender rotgrüner Papageien regt sich über die Ruhestörung auf und fliegt aufgeregt hin und her.

Die Bucht wird von unzähligen kleinen Bächen gespeist, daher schmeckt das Wasser fast süß. Flotte Fische huschen im seichten klaren Wasser an uns vorbei. Hätten wir den Umgang mit der Angel gelernt, könnten wir heute ein leckeres Abendessen haben. Ein erfahrener Fischer zeigt uns wie das geht. Er taucht einmal ein, und erscheint kurz darauf mit einem dicken Fisch in seinem Maul.

Überquert man die ersten hundert Meter der dichten Vegetation, verspricht unser Revierführer tolle Wanderstrecken. So machen wir uns am nächsten Morgen auf den Weg. Erstmal müssen wir schauen, dass wir überhaupt in diesen auf den ersten Blick undurchdringlich aussehenden Dschungel hineinkommen. Die ersten Metern folgen wir dem Lauf des kleinen Baches. Im Schutz der mächtigen Bäume wachsen hier weniger Sträucher. Hier ist es wenigstens möglich überhaupt in den Wald einzudringen. Wir laufen auf einem weichen Moosteppich, zwängen uns zwischen mannshohen Farnen hindurch, kriechen unter umgestürzten Baumstämmen und versuchen dem stacheligen Teil des Bewuchses aus dem Weg zu gehen. Du dem uns schon so gut bekannten stacheligen "Ich hasse dich"-Strauch gesellen sich "Ich halte dich am Fuß"-Lianen. Sie sind zwar dünn und unscheinbar, dabei aber so fest, dass man sie mit bloßen Händen kaum zerreißen kann.

Obwohl wir schon ein ordentliches Stück des Weges, deutlich länger als hundert Meter, hinter uns haben, ist der Wald immer noch so dicht wie zuvor. Hat der Revierführer etwa hundert Höhenmetern gemeint? Wir sind schon kurz vor dem Aufgeben, als wir den freien Himmel wieder sehen. Der Wald lichtet sich und geht in ein mooriges Plateau über. Wir schauen zur Bucht hinunter. Über uns scheint die Sonne. Zu unseren Füßen kriechen geheimnisvolle weiße Wolken und Nebelschleier über den Wald. Durch die Lücken schimmert das Türkis des Wassers hindurch. Berggipfel verstecken sich in feinem Nebel.

Wir kommen jetzt einfacher voran, nur ab und zu versperren kleine Wäldchen den Weg. Dafür gesellen sich Schwärme von kleinen Mücken zu uns. Als wir kurz eine Verschnaufpause einlegen, stellt sich Franka in Lee von einem riesigen Spinnennetz, in der Hoffnung dort von der Plage verschont zu bleiben. Der Überschuss an Pfützen und Tümpeln bietet den Mücken prächtige Entwicklungsmöglichkeiten. Zügig setzten wir unseren Weg fort.

Nach zwei Stunden querfeldein durch die Wildnis erreichen wir unser Ziel – den versteckten See, den wir auf Satellitenbildern ausfindig gemacht haben. Zwischen den Bergen versteckt, von allen Seiten durch einen dichten Wald umgeben, wirkt er wie ein geheimnisvoller, heiliger Ort der Indianer. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, die Natur so unberührt erleben zu dürfen. Das ist eine Zeitmaschine, die uns etwa zehn Tausend Jahre zurück in die Zeit versetzt. Seit dem Schmelzen der massiven Eisdecke hat sich hier wenig verändert. In der Ferne hören wir den Rauschen eines Wasserfalls. Man könnte dem Bach wahrscheinlich bis zum See folgen. Das würde aber unsere Möglichkeiten übersteigen. Wir genießen das Panorama von oben und machen uns auf den Rückweg.

Der Rest des Tages ist strahlender Sonnenschein. Thomas geht mit Vsevolod noch am Westufer der Bucht Bergsteigen. Dann bereiten alle für den Abend ein Lagerfeuer mit Stockbrot vor. Strand liegt genug Holz – und man glaubt es kaum: es ist sogar trocken. Thomas zersägt die dicken Teile, die Kinder tragen es fleißig zur Feuerstelle. Vsevolod findet im Wald Bambusstangen (wer hätte gedacht, dass sie bei 48° Süd wachsen?) und bastelt sich daraus einen Speer. Die Idee ist so ansteckend, dass wir bald vier Indianer mit Speeren bewaffnet haben, die mangels anderen attraktiven Zielen auf unsere (noch) vollen Bierdosen schießen.

Als es dunkel wird, will keiner freiwillig an Bord. Obwohl Arvid so müde ist, dass seine Bewegungen sehr langsam werden, protestiert er vehement gegen den Versuch, ihn ins Bett zu bringen. Nachdem Thomas trotz einigen Widerstandes alle Kinder ins Bett und zur Ruhe gebracht hat, sitzen Thomas und Natalya noch lange am Lagerfeuer und genießen die Stille und den sternenklaren Himmel. Hinter dem Bergrücken geht der Mond auf und leuchtet den Weg zurück zur Outer Rim.

Am nächsten Tag suchen unsere Kinder Osternester. Der Bord-Osterhase hat dafür gesorgt, dass jedes Crewmitglied ein prall gefülltes Nestchen hat. Wenn man es sich ein wenig überlegt, steht die Welt hier schon auf dem Kopf. Die Nordhalbkugel verbindet Ostern mit Frühling, Osterglöckchen und allgemeinem Aufwachen nach dem langen Winter. Hier sind die meisten Blumen schon verblüht, es wird langsam kälter, und die Natur bereitet sich auf einen langen dunklen Winter vor.

Den ganzen Tag regnet es in Strömen. Die Berge hat jemand weggezaubert. Alles ist in dichtem weißen Nebel verschwunden. Als für kurze Zeit sich eine kleine Lücke öffnet sehen wir unzählige Wasserfälle, die an den steilen Felswänden herunterstürzen. Was für ein Kontrast zum gestrigen sonnigen Tag!

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 27. März 2016 von in Uncategorized.
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