(23.03.2016 – Tag 671 – 12.184 sm)
Am Tag des Ablegens aus Puerto Eden kalkulieren wir die Zeit, zu der wir die Engstelle Angostura Inglesa durchfahren sollen, um möglichst wenig Strom gegen uns zu haben. Diese Engstelle ist bei weiterem nicht so spektakulär wie Paso O’Ryan oder die Angostura Kirke, die wir schon hinter uns haben. Es stellt sich heraus, dass wir erst gegen 11 Uhr ablegen müssen, um die optimale Passagezeit zu erreichen.
Die Kinder gehen also das letzte Mal an Land und steicheln ausgiebig alle Tiere. Vsevolod findet ein besonders schmuseliges Kätzchen, das lange auf seinem Schoss schnurrt, und will es gar nicht hergeben. Danach gehen wir Anker auf. Das nächste Ziel ist Caleta Yvonne, kurz vor Seno Eisberg, einem spektakulären Gletscherfjord. Wenn das Wetter mitmacht, schlagen wir einen Umweg ein, um diesen Gletscher zu sehen.
Als wir in die Angostura Inglesa einfahren, treffen wir auf zwei Knoten Gegenstrom. Das ist zwar nicht viel, ist aber mehr als erwartet. So macht es keinen Spaß! Nun, da hat wohl jemand bei der Tidenberechnung die Tabelle vom Vortag verwendet. Als Natalya dem Skipper erzählt, dass gerade das Mittagessen fertig geworden ist, ankert er in der Nähe einer kleinen Insel am Südende der Engstelle. Wir essen in Ruhe Mittag. Der Skipper macht ein kleines Nickerchen. Die Strömung hat immer noch nicht gekippt, ist aber weniger geworden. Von wegen Stillwasser berechnen… Schließlich fahren wir los und die Strömung bleibt auf der ganzen Strecke leicht gegen uns. Zwei Große Frachter kommen uns entgegen. Einer davon heißt „VOR“, und wir fragen uns, wie er wohl heißt, wenn er zurück fährt. Den anderen treffen wir an der engsten Stelle. Das ist trotzdem kein Problem, so eng wie in der Angostura Kirke ist das hier auch nicht.
Wir erreichen den Canal Messier. Trotz der erfreulichen Wettervorhersage ist er weiß von Schaum und Gischt. So wirklich Lust darauf hat heute keiner, daher treffen wir die Entscheidung, die nächste Caleta anzulaufen. An der Isla Vittorio kann man schön geschützt liegen. Wir entscheiden uns gegen freies Ankern und fahren in die hinterste Ecke der Bucht. Der Wind ist kaum merkbar, die Caleta Sabauda ist von dichtem, schützenden Wald umgeben. Anlegen sollte da kein Problem sein. Doch nachdem Natalya schon die erste Heckleine ausgebracht hat, kommt plötzlich Wind auf – und das von der Seite. Die ausgebrachte Leine liegt im Lee und macht die Outer Rim nur manövrierunfähig, hält sie aber nicht davon ab, auf das felsige Ufer zu driften. Der Skipper versucht verzweifelt das Boot in der engen Caleta von den Felsen fernzuhalten. Als das Boot bis auf einen Meter auf die Felsen kommt, schafft es Natalya die zweite Leine zu befestigen. Das reicht noch nicht, unter dem Winddruck von der Seite driftet der Bug weg. Noch eine Bugleine. Dann noch eine Heckleine, dann kann Thomas die Outer Rim von den gefährlichen Felsen weg winchen. Eine gut geschützte Buch stellt man sich anders vor. Den ganzen Abend kommt der Wind aus unterschiedlichen Richtungen und schiebt die Outer Rim mal nach steuer- mal nach backbord.
Die Kinder lassen sich vom Stress nicht stören und gehen trotz des anfänglichen leichten Nieselregens vergnügt ans Land. Die zwei Großen verschwinden im Wald. Arvid und Talora spielen am Strand. Nach einiger Zeit will Natalya nach Hause, Arvid protestiert lauthals, er möchte noch hier bleiben, und muss gegen seinen Willen ins Dinghy gepackt werden. Franka und Vsevolod verlassen den Wald nur unter der Voraussetzung, dass sie zum Abendessen dort picknicken dürfen. Was sie dann auch wirklich machen. Mit Proviant im Rucksack stiefel sie los und genießen ihr Abendessen im Freien.
Am nächsten Tag herrscht zum Glück in der Caleta vollständige Windstille. Schnell die Landleinen lösen, und weg von hier! Bevor wieder Wind aufkommt. Der Kanal ist heute nicht wieder zu erkennen: keine Spur von weißen Pferden. Kein harter Nordwind auf die Nase, sondern eine zarte Südbrise begleitet uns den ganzen Weg bis Caleta Yvonne. Obwohl den ganzen Vormittag die Sonne scheint, ist der Horizont mit tiefen grauen Schwaden behängt. Die Entscheidung fällt uns schwer: reicht das schöne Wetter noch um ins Eisbergfjord hineinzufahren, oder sollen wir doch wie geplant auf einen wolkenfreien Tag in der Caleta Yvonne warten.
Wir entscheiden uns doch für die zweite Variante. In Seno Eisberg kann man nicht sicher ankern, um auf besseres Wetter zu warten. Das wäre ja schade, wenn wir das Gletscher nur als Grau im Grau sehen würden. In der Caleta halten wir beim Leinenmanöver nach unsichtbaren Felsen Ausschau. Im Gegensatz zum gestern ist hier trotz der Felsen im Wasser genug Manövrierraum vorhanden. Die Franzosen von Octopus funken uns an und fragen, ob sie hierher auch reinpassen. Zwei polnische Boote, die am nächsten Tag ankommen, verstecken sich in der anderen Ecke der Bucht, so dass wir sie gar nicht sehen können.
Auf einer kleinen Insel am Eingang zur Bucht finden die Kinder schnell wieder ein Spielpradies. Hier wird die Landschaft umgestaltet und ein kleines Lager mit angeschlossenem Garten gebaut. Hier verbringen die Kinder zwei Nachmittage und gehen zum Abendessen picknicken. Wir sind froh, so beständiges Wetter zu haben.