SY Outer Rim – A Family's Sailing Adventure

Sailing across the world's oceans with four kids

Estero des Regens

(13.02.2016 – Tag 632 – 11.697 sm)

Wie haben wir uns über den sonnigen Sonntag gefreut! Einen ganzen Tag lang Sonnenschein, blauer Himmel und ein atemberaubendes Gletscherpanorama vor Augen. Seither, fast eine Woche lang, sitzen wir in dem langen Fjord und genießen … den Dauerregen. Über Nacht bleibt die Pütz am Deck stehen und läuft voll. Der nahe liegende Wasserfall ist angeschwollen und sein Röhren weckt in uns Erinnerungen an die Igauzu-Fälle.

Nachdem sich die SY Karma freundlicher Weise bei uns gemeldet und berichtet hat, dass sie die Caleta Mist freigegeben haben, verlegen wir die 15 Meilen weiter südlich. Zum Abschied kommt eine Schule Weißbauchdelfine und kreist um die Outer Rim herum. Eine Mutter und ein Junges begleiten uns einige Zeit lang und reiten auf den Bugwellen. Frischer Wind treibt uns schnell voran. Der Regen legt sogar eine Pause ein und wir bleiben trocken. Als wir uns dem Ankerplatz nähern wird der Wind immer stärker. Bei der Einfahrt tauchen wieder einige Delfine auf und als ob sie schon im Voraus wissen würden, wohin wir wollen, führen sie uns direkt zum Ankerplatz.

Damit wir ein bisschen Adrenalin bekommen, kommen auch in der Bucht kräftige Böen an, und wie gewünscht, von der Seite, auflandig. Thomas überlegt, ob wir nicht wieder die ganze Leine abrollen und sie erst am Land befestigen und dann zum Boot bringen. Schließlich entscheiden wir und doch dagegen. Natalya rudert, springt aus dem Boot raus, rennt zum nächstbesten Baum, fällt in ein knietiefes Matschloch. Schnell wieder raus, Leine um den Baum, Knoten rein, die Leine sitzt. Für die Bugleine muss sich Natalya an einer fast senkrechten Felswand mit den Armen hochziehen, bevor die Beine Halt finden. Die ganze Zeit beobachten die Defline unseres Treiben. Das Boot liegt mit vier Leinen gut und sicher in der kleinen Caleta.

Es ist Zeit zum Mittagessen… und es regnet wieder in Strömen. Das ganze Boot ist feucht. Unsere Klamotten hängen seit einigen Tagen im Schutz der Kuchenbude draußen, und werden nicht trockener sondern nur nasser. Als sich am Nachmittag eine kleine Lücke in der Wolkendecke öffnet, steigen wir ins Dinghy, um in einen kleinen Seitenarm des Fjords hinein zu fahren. Dort sollte es einen spektakulären Gletscher geben. Wir tasten uns vorsichtig durch das Geröll der Endmoräne durch. Manche Brocken sind so groß wie ein Einfamilienhaus und ragen weit aus dem Wasser hinaus. Andere verstecken sich fies knapp unter der Wasseroberfläche. Wir müssen den Motor hochheben und eine Strecke rudern. Das auflaufende Wasser hilft uns und schiebt in die Bucht hinein. Etwas weiter drin gibt es eine scharfe Trennlinie wo das türkise Gletscherwasser das farblose Meerwasser trifft. Ab hier sehen wir den Grund nicht mehr.

Der Fjord liegt vor uns im Nebel, der Regen wird stärker und peitscht uns ins Gesicht. Arvid bekommt dicke Handschuhe. Die Kinder verkriechen sich soweit es geht in ihre Kapuzen. Wir fahren an den imposanten Felsen vorbei, die mehr als 100 Meter fast senkrecht ins Wasser abfallen. An den schmalen Terrassen sitzen viele Kormorane. Bei unserer Annäherung stürzen sie ins Wasser, tauchen ein, und versuchen sich zu verstecken. Was für einen unwirtlichen Lebensraum sie sich ausgesucht haben! Es ist eiskalt. An allen Bergflanken hängt auch ohne Sonne hellblau schimmerndes ewiges Eis. Wasserfälle durchziehen wie unzählige Tentakeln die Berghänge.

Nachdem wir um die Ecke biegen erscheint vor uns ein gewaltiger Gletscher. Seine Spitze verliert sich im Nebel, seine dicke, durch unzählige Spalten und Risse durchzogene Abbruchkante fällt steil ins Wasser ab. Da das Wasser vollkommen undurchsichtig ist, müssen wir ständig aufpassen, dass wir nicht auflaufen oder einen Eisberg rammen. Einige durchsichtige Eisbrocken schwimmen knapp unter der Oberfläche und sind schwer zu sehen. Auch größere Brocken treiben umher. Thomas fährt ganz nah an ein besonders dickes Stück, damit die Kinder das Eis aus der Nähe anschauen und anfassen können. Vsevolod fischt einen kleinen Eisbrocken auf und schenkt ihn Arvid. Arvid testet erst Mal wie das Eis schmeckt und versucht das glitschige Stück fest mit seinen Handschuhen zu halten.

Es ist schon so viel Regenwasser im Dinghy, dass Natalya es ausschöpfen muss. Heute haben wir eine vollkommen authentische patagonische Exkursion: nass, windig, neblig, KALT. Alle kauern sich frierend in ihren Regenklamotten und blinzeln nur ab und zu raus. Es wird einstimmig entschieden: „jetzt schnell wieder zum Boot!“ Sogar Arvid, der immer zum Eis will, ist einverstanden: „Ich will nicht Eis, ich will nach Hause!“ Wir verscheuchen ein Paar Enten, die nicht fliegen können und vor unserem Boot durchs Wasser wild mit den Flügel schlagend weglaufen. Dabei wirken sie wie die alten Mississippi-Raddampfer. Auch einige Kelpgänse sind auf den Felsen zu sehen.

Zurück an der Outer Rim fahren Thomas, Vsevolod und Arvid zum Wasserfall neben unserem Boot, um unser Trinkwasser wieder aufzufüllen – trotz des strömenden Regens, es ist ja eh schon alle Klamotten nass. Als Thomas einen der Behälter in den Wasserstrahl hält, fällt Arvid kopfüber aus dem Dinghy. Mit den Beinen bleibt er in den Seilen stecken. Vsevolod versucht ihn sofort rückwärts wieder ins Schlauchboot zu ziehen, schafft es aber nicht. Thomas dreht sich um und erblickt Arvid, dessen Gesicht unter Wasser steckt und die Beine in der Luft hängen. Schnell zieht er ihn an seiner Rettungsweste heraus. Nichts passiert, nicht einmal der Schreck war zu groß. Natalya, die von einer Landexkursion mit Beerenverkostung entspannt nach Hause kommt, ist ratlos als sie einen Berg nasser Klamotten sieht. Arvid berichtet ihr schuldbewusst über den Vorfall und fügt hinzu, dass er besser aufpassen muss.

Die ganze Nacht prasseln schwere Regentropfen gegen das Deck und die Luken. In der Nacht fällt die Temperatur im Boot unter 10 Grad. An den Hängen der umliegenden Berge liegt frischer Schnee. Wir brauchen unbedingt wieder einen sonnigen Tag, damit unsere Kleidung und das Boot wieder einigermaßen trocken werden. Aber mit zwei Gletschern im Umkreis von 2 km und unterhalb eines riesigen Eisfeldes ist das kaum zu erwarten.

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 13. Februar 2016 von in Uncategorized.
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