SY Outer Rim – A Family's Sailing Adventure

Sailing across the world's oceans with four kids

Abschied von der Magellanstraße

(01.02.2016 – Tag 621 – 11.584 sm)

Eigentlich ist für heute Ablegen und das Durchfahren des letzten und angeblich anstrengendsten Stückes der Magellanstraße geplant. Natalya wacht mit der ersten Dämmerung auf und kann vor Aufregung nicht mehr einschlafen. Einzelne Windböen bringen unseren Windgenerator zum Heulen. Um sieben Uhr klingelt der Wecker. Die Kinder sehen beim Frühstücken noch ziemlich verschlafen aus. Sie haben sich ein spätes Aufstehen angewöhnt. Nach dem Frühstück steigt Thomas auf einen kleinen Hügel, der uns den Blick auf die Magellanstraße ermöglicht, um die Wetterlage direkt zu erkunden. Die See sieht glatt wie ein Babypopo aus.

Gleich auf dem Rückweg löst Thomas die erste Leine vom Baum. Der Wind in der Caleta ist weiterhin böig frisch und auflandig, daher ist beim Leinenlösen Vorsicht angesagt. Schließlich ist das Boot frei und Thomas holt den Anker auf. Dabei geraten wir in einen Quallenschwarm, der aus Tausenden und Abertausenden von Quallen besteht. Die Tiere schweben nicht mehr, sondern sind eng aneinander gedrängt und bilden fast eine feste Masse.

Unsere Ankerkette hat einen ganzen Kelpwald eingefangen. Uwe kämpft mit einem scharfen Messer dagegen und kommt kaum gegen das zähe Zeug an. Aus dem Kelp fallen auch einige Krabben heraus, die den Wald für ein sichers Versteck gehalten haben. Jetzt dürfen sie sich einen neuen Unterschlupf suchen. Als wir abfahren hängen große Kelpmassen immer noch vom Anker herunter. Ihre Ausläufer reichen bis zur Bootsmitte. Auch am Ruder hat sich das Seegras verfangen, so dass wir erst durch eine zügige Rückwärtsfahrt das Schiff frei bekommen.

Die Straße ist heute tatsächlich friedlich. Was für ein Unterschied zu unserem letzten Ausbruchsversuch! Das war nur richtig, dass wir nicht aus reinem Trotz weiter gefahren sind. Wer sich hier mit dem Wetter anlegt, kann nur verlieren. Auf den ersten Meilen schwimmen einige Seebären mit der Outer Rim um die Wette. Am Anfang können wir die Berge beiderseits der Straße noch deutlich sehen, langsam aber verhüllt der Schleier der Wolken und des Regens ihre Silhouetten, bis man sie nur erahnen kann.

An einem Kap frischt der Wind fast schlagartig auf über 30 Knoten auf. Die Wellen krachen von vorne über den Bug, die Geschwindigkeit sackt ab. Wir machen uns ein plastisches Bild davon, was uns für ein Tag bevorsteht. In der Nähe gibt es keine Buchten mehr, und wenn, dann hat keiner mehr Lust auf ein solches Versteck wie Puerto Angosto. Das Wetter erweist sich zu unserer Überraschung als gnädig und nach einer Viertelstunde beruhigt sich die Natur. Natalya empfängt den Wetterbericht von Faro Fairway. Die Welle in Paso Tamar – dem anstrengendsten Stück liegt bei 1,5 Meter, Tendenz fallend. Die See ist zwar noch unruhig, aber nicht wild und furios, wie es dort häufig der Fall ist. Steuerbord querab sichten wir ein anderes Segelboot. Es fährt in die entgegengesetzte Richtung, hat zwar Wind mit sich, segelt aber langsam. Bei den Böen hier muss man mit der Besegelung aufpassen.

Den Kindern wird die Welle zu viel, und nach einer kleinen Mahlzeit legen sie sich ins Bett. Der Himmel ist vollständig bedeckt, Isla Tamar erscheint vor uns wie eine veraltete Schwarzweiß-Aufnahme. Ganz unerwartet bricht ein Sonnenstrahl die Wolkendecke und lässt auf einem kleinem Fleck die Farben leuchten. Da wo vorher nur grauer Schleier zu sehen war, erstrahlen grüne Bäume und gelbes Gras wie eine farbige Insel in einem grauen Meer.

Die Wetterlage für die Passage um die Isla Tamar ist ideal. Inzwischen ist der Wind weiter abgeflaut, der Schwell hält sich in Grenzen. Nach Westen ist hier alles zum Pazifik offen. Kein Schutz mehr durch vorgelagerte Inseln wie in den Kanälen. Da kann es hier schnell ungemütlich werden. Nicht heute! Nachdem wir um die Spitze herum sind, setzen wir Segel. Die Schaukelei wird sofort weniger. Nach zwei Stunden sehen wir die Umrisse von Faro Fairway, somit sind wir endgültig in dem geschützten Kanal Smyth. Bis zum neuen Ankerplatz in Caleta Teokita sind es nur noch wenige Meilen.

Der Einfahrt in die Caleta ist spektakulär. Ein enger, von beiden Seiten durch hohe, senkrecht ins Wasser abfallende Felsen begrenzter Kanal führt in Schlangenlinien in die Ankerbucht hinein. Das Fahrwasser ist gerade mal 10-15 Meter breit. Das ist schon ein ordentlicher Nervenkitzel. Fährt man zu schnell, hat man kaum Zeit zu reagieren. Fährt man langsam, verliert man die Ruderwirkung und kann nicht mehr steuern. Als wir an der engsten Stelle vorbei sind, bewundern alle einen prächtigen Königsfischer, der direkt vor uns im Baum sitzt. Der Skipper schaut auch kurz zum Vogel hinüber und ups… im nächsten Augenblick ist das Boot einer Kelpinsel näher gekommen als es ihm lieb wäre. Darunter liegt ein Felsen im Weg. Ein Meter neben uns scheinen schon die Muscheln durch das Wasser. Denkbar knapp.

Die Bucht ist ganz gemütlich und erscheint uns bei Windstille im Abendlicht als ein kleines Kleinod. Zarte rosa Bluten der Fiselien treiben uns im Wasser entgegen. Wir legen ohne Stress und Probleme an, und die Kinder gehen sofort an Land. In einem Bach werden wieder ihre Boote ins Wasser gelassen. Dieses Mal testen sie neue Anker. Zum Abendessen backt Natalya zu allgemeiner Freude noch Pfannkuchen.

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 1. Februar 2016 von in Uncategorized.
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