(04.02.2016 – Tag 624 – 11.618 sm)
Die Stürme auf dem Südpazifik haben sich ausgetobt und sind weiter gezogen. Für uns heißt das mildes Wetter, der Sommer ist in vollem Gange. Es ist warm, und es regnet wenig.
Nach einem Schulvormittag in der Caleta Teokita gehen wir alle zusammen an Land und steigen auf einen Hügel. Das Weiß des Leuchtturms Faro Fairway erstrahlt im Sonnenschein mitten im blauen Wasser. Arvid läuft dieses Mal fleißig selber. Manchmal verschwindet er bis zur Nasenspitze in hohem Gras. Vor Hindernissen wartet er geduldig bis Mama oder Papa ihm eine helfende Hand geben. Am liebsten rennt er dem großen Bruder hinterher – und der ist nicht besonders wählerisch was den Weg angeht. Unsere Großen waren seinerzeit in einem Waldkindergarten, in dem sie in freier Natur spielen konnten. Arvid entdeckt die Welt der Natur ohne Wege und Zäune. Heute wühlt er mit Begeisterung in einem kleinem matschigen Teich. Seine Hände voll mit Matsch überzogen, das Gesicht voll verschmiert lächelt er breit in die Kamera.
Franka und Vsevolod sind recht selbstständig geworden. Sie melden sich ab und laufen die ganze Strecke zum Dinghy alleine zurück, um am Strand mit ihren Booten zu spielen. Obwohl es hier keine Wanderwege gibt und wir immer querfeldein durch die Wildnis streifen, haben die Kinder kein Problem sich zu orientieren und alleine zurück zu kommen.
Nach zwei ruhigen Tagen in der engen Ankerstelle ziehen wir durch den Canal Smyth weiter bis zur Caleta Mallet. Beim Verlassen der Bucht entdeckten wir in einem anderen Seitenarm ein Segelboot namens KOTIK. Neugierig funken wir sie an, bekommen aber keine Antwort. Den magischen Faro Fairway, über den auch heute trotz des vollständig bedeckten Himmels die Sonne strahlt, lassen wir achtern. Im Gegensatz zu Europa sind in Chile viele Leuchttürme noch bemannt. Kann sich jemand vorstellen, ein Jahr lang als Familie ohne jegliche Verbindung zur Zivilisation auf einer von Wind und Wellen gepeitschten Insel von 0,15 qkm Größe zu leben? Jeden Tag 24 Stunden Bereitschaftsdienst?
Obwohl der Leuchtturmwächter einen für uns günstigen Südwest-Wind am Eingang der Magellanstaße meldet, bleibt es bei uns den ganzen Tag windstill. Die Outer Rim gleitet unter Motor durch das spiegelglatte Wasser des Canal Smyths. Was für ein Unterschied zur tosenden Magellanstaße. Hier gibt es so viele Inseln und Engstellen auf dem Weg, dass sich selbst bei Wind kaum Welle aufbauen könnte. Leider regnet es fast die ganze Fahrt.
Am frühen Nachmittag fällt der Anker. Da wir dieses Mal in einer breiten halbkreisförmigen Bucht ankern, bleibt uns die Arbeit mit den Landleinen erspart. Dafür müssen wir den Swoje-Kreis vor dem Ankern abfahren. Dabei kommen wir dem Flach ungewollt nahe. Uwe und Natalya schreien am Bug, Thomas geht voll Rückwärts. Das waren nur noch ein paar Zentimeter unter Kiel. Soviel Adrenalin muss dann eigentlich nicht sein. Da wir frei Ankern müssen wir eine längere Strecke zum Strand rudern. Der Außenborder des Dinghys funktioniert ja immer noch nicht. Am Abend, als wir vom Strand zurückkehren, kommt auch der versprochene Südwind, arbeitet gegen uns, so dass wir beim Rudern ins Schwitzen kommen.
Am nächsten Tag unternehmen wir eine kleine Wanderung und steigen bei sommerlichem Wetter auf den Berg südlich unserer Bucht. Von oben öffnet sich ein wunderbarer Blick auf den Canal Smyth, Canal Union und die umliegenden Inseln. An einem der Berge entlang des Canal Union leuchtet ein Gletscher im Sonnenlicht. Auf dem Rückweg finden wir zwei Kondorfedern. Die sind so groß, dass Vsevolod überzeugt ist, mit noch ein paar solcher Federn befestigt an seinen Armen fliegen zu können.
Thomas fährt noch mit allen Kindern zum Strand. Beim perfekten Lichtverhältnissen erkundet er fotografisch die Umgebung. Zu seiner Überraschung entdeckt er unseren ersten Kolibri in dieser Region. Der Vogel schwirrt über einem Bach, bleibt kurz in der Luft stehen und sieht neugierig herüber. Dann zischt er weiter. Leider viel zu schnell, um ein „Beweisfoto“ zu schießen. Aus dem Bach nehmen wir auf dem Rückweg dann noch 60 Liter leckeres Trinkwasser mit.
Am Abend kommt ein großer Garnelenschwarm zu unserem Boot. Hunderte von Tieren strömen durchs Wasser. Bis jetzt haben wir sie nur auf einem Teller gesehen, hier schwimmen sie frei, sind flink und entgehen allen Versuchen, zu wissenschaftlichen Zwecken gefangen zu werden. Die kleinen Tierchen sorgen wohl auch für den Vogelreichtum in der Caleta. Kelpmöwen, Albatrosse, große Mengen an Felsenkormoranen fliegen in regem Verkehr hin und her.