(24.01.2016 – Tag 613 – 11.485 sm)
Schmelzwasser der Gletscher und Unmengen von Niederschlag führen dazu, dass das Wasser in den engen, vom Ozean abgeschirmten Kanälen der Tierra del Fuego so süß wird, dass nur wenige maritime Organismen dort Fuß fassen können. In der Magellanstraße ändert sich das nun. Die stetigen Westwinde drücken das salzige Pazifikwasser hinein, was zur Explosion des maritimen Lebens führt.
Am Eingang der Bahia Mussel wird die Outer Rim von mehren Buckelwalen begrüßt. Eines der mächtigen Tiere taucht direkt vor unserem Bug auf, und hat keine Lust auszuweichen. Stattdessen taucht der Wal unter dem Boot durch. Um einen Zusammenstoß zu vermeiden, haben wir schon hektisch in den Rückwärtsgang geschaltet. Aber scheinbar sind die Tiere schlau genug und tauchen tief ab. Nur ein kräftiger Wirbel der heftig ausgeblasenen Luft bleibt an der Wasseroberfläche zurück .
Auch am Strand entdecken wir viele uns noch unbekannte Tierarten. Ein gepanzertes aus acht Segmenten bestehendes Tier erweckt unsere Aufmerksamkeit. Sein Aussehen erinnert an die Fossilien-Abteilung in einem Naturkundemuseum. Das Tierchen klebt fest an einem Stein und lässt sich nur widerwillig davon lösen. Danach rollt es sich beleidigt zu einer Kugel zusammen. Zuhause schlagen wir nach, dass es zu den Käferschnecken gehört und tatsächlich in fast unveränderter Form schon seit über 500 Millionen Jahre existiert. Diese Gruppe der Weichtiere ist um mehr als zwei Hundert Millionen Jahre älter als die Dinosaurier. Egal, wie man es versucht, solche Zeitspannen sind einfach unvorstellbar. Wie viele Generationen der Tiere gab es schon auf der Erde?
Fast unter jedem Stein liegt ein kleiner Seestern. Natalya findet an einem etwas entfernteren Strand einen großen und bringt ihn in Kelp eingewickelt den Kindern zur Besichtigung. So können wir die unzähligen kleinen Füßchen und den nach außen gestülpten blasenartigen Magen studieren.
Kleine Fische huschen durchs Wasser. Wir haben zwar gehofft, dass man hier Fisch angeln könnte – kaufen kann man ja hier nichts. Die Hoffnung ist leider geplatzt. Heute ist das erste Mal dass wir überhaupt Fische sehen. Vielleicht wird sich die Situation weiter nördlich bessern.
Neben der Outer Rim treibt in geringem Abstand eine Chileskua (eine große braune Raubmöwenart) und beobachtet uns erwartungsvoll. Unser Ankerplatz wird auch von Fischern genutzt. Die Möwe kann wohl nicht verstehen, dass es bei uns keine Fischabfälle zu rauben gibt. Sie kommt täglich wieder. Ein prächtiger Rotbrustfischer lässt sich auf unserem Bug fotografieren. Der Vogel ist überhaupt nicht scheu, und wir können ihn aus weniger als einem Meter Abstand beobachten. Am Ufer verfolgt Thomas, bewaffnet mit einem Teleobjektiv eine Familie Kelpgänse. Zusammen sehen sie aus wie ein Ehepaar aus zwei unterschiedlichen Rassen. Das Männchen ist schneeweiß, das Weibchen dagegen überwiegend schwarz mit bunten Streifen. Im Schlepptau haben sie drei graue flauschige Küken. Verhungern werden sie hier kaum. Ihre Hauptnahrungsquelle – Kelp – gedeiht prächtig und bildet einen regelrechten Unterwasserdschungel.
Während wir am Abend vor dem Lagerfeuer sitzen hören wir ganz deutlich das Blasen der Wale im Hintergrund. Immer wieder erscheinen sie für einen kurzen Augenblick an der Wasseroberfläche und tauchen dann wieder ab. Unsere Kinder backen mit Begeisterung Kartoffeln im Feuer. Arvid kann es kaum abwarten, bis seine Kartoffel fertig ist.