(18.01.2016 – Tag 607 – 11.444 sm)
Weil es in der Gegend jede Menge schöner Buchten mit oder ohne Gletscher gibt, sind wir bis jetzt kurze Stücke von höchstens 25 Meilen gesegelt. Dieses Mal entscheiden wir uns für eine für hiesige Verhältnisse lange Strecke von 85 Meilen – nonstop durch den Canal Brecknock. Dieser Kanal ist relativ breit und teilweise Richtung Pazifik offen. Schon allein die Namen entlang des Weges wie Bahia Desolada (Bucht der Verwüstung) klingen nicht wirklich einladend.
Das Wetter spielt dieses mal mit und dadurch wirkt die Gegend gar nicht so abweisend. Bei strahlend blauem Himmel fahren wir Richtung Norden. Von einer felsigen Insel grüßt uns eine Gruppe südamerikanischer Seelöwen. Die Männchen stellen sich bullig in Positur und brüllen lauthals zu uns herüber. Die weiblichen Tiere recken neugierig den Hals: „Was ist hier los? Was ist hier los?“ Ein Tier turnt im Wasser und streckt uns abwechselnd seine Vorder- und Hinterflossen entgegen: „Schaut mal, was für schöne Beine!“ Nachdem wir die Insel hinter uns lassen, zieht sich noch lange der Geruch der Tiere wie eine stinkende Geruchsfahne hinterher.
Wo die Seelöwen etwas zu futtern finden, dort suchen auch die Fischer. Auf einem kurzen Abschnitt treffen wir gleich drei kleine Fischerboote – die ersten seit Wochen. Während wir uns der Peninsula Brecknock nähern, strotzt das Wasser vor Leben. Unzählige tellergroße Quallen ziehen am Boot vorbei. In der Ferne entdecken wir einen Blass, und gleich danach die charakteristische Finne eines Buckelwals. Seebären springen in großen Gruppen um uns herum, und vollführen akrobatische Kunststücke, machen Saltos in der Luft. Sie sind um einiges kleiner als die Seelöwen und dadurch viel flinker und wendiger. Vereinzelt tauchen hier und dort Pinguine auf.
Der Eingang der Caleta Brecknock ist zwischen Hügeln und steilen Felswänden gut versteckt und daher nicht einfach zu finden. Ohne so einen ausführlichen Revierführer wie wir jetzt haben wäre solch eine Suche sicherlich ein Abenteuer. Nachdem wir das letzte Mal um die Ecke fahren, erwartet uns eine Überraschung. Es ist schon ein Segelboot drin! Besetzt?! Kurz spekulieren wir darüber, wer das sein könnte und erkennen schließlich, dass es Loul von George und Isabel ist. Unschlüssig stehen wir vor der Einfahrt in die winzige Bucht. Die Bug- und Heckleinen von Loul gehen von Ufer zu Ufer und versperren die Einfahrt. Es ist kein Platz für ein zweites Boot da. Während wir überlegen, kommt uns George entgegen und ruft durch den Funk mehr als Feststellung als Frage: „ihr geht längsseits an unser Boot?!“ Die berühmte bretonisch/normannische Seekameradschaft! George springt schnell in sein Dingi und nimmt uns die Leinen entgegen. Nach dreizehn Stunden unterwegs liegen wir vor allen Winden geschützt neben Loul.
Das schöne Wetter ist hier streng rationiert. Der Himmel verdunkelt sich am Abend, Nebenschleier steigen von den Bergen herunter. Wir planen für Morgen einen Landausflug und genießen die Abendsruhe mit einem Glas Wein. Das Boot ist während des Tages warm und vor allem trocken geworden. Was für ein Luxus! Vor allem gegen die Feuchtigkeit führen wir ununterbrochen einen erbitterten Kampf und sind all zu oft auf der Verliererseite. Manchmal tropft es sogar in den Schränken.
Am nächsten Tag lacht die Sonne schon zum Frühstück und wir steigen alle zusammen auf einen kleinen Hügel an unserer Bucht. Dahinter versteckt liegt ein kleiner See. Die Kinder waten durch das Wasser und testen ihre Gummistiefel. Franka hat schon beim Anlanden nasse Füße bekommen, darum kann sie jetzt auch ungestört prüfen, ob ihre Stiefel auch von innen wasserdicht sind. Nach dem Test beschäftigt sie sich mit der Verschönerung des Ufers und schmückt einen besonders hübschen Mooshügel mit Edelweißen und Margariten. Die Erwachsenen liegen einfach nur im weichen Moos und genießen die warmen Sonnenstrahlen auf dem Gesicht. Leider endet der Ausflug zu früh, da Arvid dringend eine frische Hose braucht.
Nach zwei Nächten in der gemütlichen Caleta entscheiden wir uns für die Weiterfahrt Richtung Norden. Dieses Mal soll es bis zu der Magellanstraße gehen: durch einen von der chilenischen Armada verbotenen Kanal – den Canal Acwalisnan – und die Enge „Paso O’Ryan“. Die offiziell empfohlene Strecke durch Canal Magdalena klingt zwar auch sehr interessant, verspricht steile Schluchten mit senkrechten Wänden, bedeutet aber mehr als 50 Meilen Umweg durch die windreiche Magellanstraße.
Gleich nach der Abfahrt aus der Caleta Brecknock werden wir im Kanal Cockburn zum ersten Mal herzlich vom Pazifik begrüßt. Von einem langgezogenen Pazifikschwell mit Wellen von 3-4 Metern von der Seite erfasst, gerät das Schiff in gleichmäßiges Schaukeln, was manchen Crewmitgiedern einen Seekrankheitsanfall beschert. Zum Glück können wir nach einer Weile auf einen Vorwindkurs abfallen und damit ist die holprige Strecke schnell zu Ende und es geht allen wieder gut und wir können die allmählich heraus kommende Sonne genießen.
Am Paso O’Ryan verengt sich der Canal Acwalisnan auf unter 100 Meter und die Tiefe fällt auf unter vier Meter. Das führt zu erheblichen Strömungen und Verwirbelungen des Wassers. Da dort auch noch Steine im Weg liegen, empfiehlt der Revierführer, die Stelle nur während der wenigen Minuten des Stillwassers zwischen Flut- und Ebbstrom zu passieren. Wir nehmen schon zwei Stunden vor Erreichen der Stelle durch Reffen der Segel die Geschwindigkeit aus dem Boot, kommen aber trotzdem eine Dreiviertelstunde zu früh an der Engstelle an. Unser Skipper ist heute nicht wirklich geduldig und will nicht noch länger warten. Daher passieren wir den Paso O’Ryan zu früh. Das Wasser blubbert, schäumt und Strudel kräuseln auf der Wasseroberfläche. Obwohl Thomas den Rückwärtsgang einlegt und ordentlich Gas gibt, wird die Outer Rim durch die mächtige Strömung nach vorne über die Flachstelle gezogen. Nach etwa Hundert Metern ist alles wieder ruhig, und wir sind heilfroh, den Spuk hinter uns zu haben. Der Skipper bekommt von der Crew eine ordentliche Rüge und verspricht das nächste Mal an die Empfehlung des Revierführers zu halten.
Noch ein paar Meilen des Segelns durch den Seno Pedro, dann haben wir die berühmte Magellanstraße erreicht! Als wir in die etwa sieben Meilen breite Straße einfahren, empfängt sie uns mit ungewöhnlicher Ruhe. Wir fahrend ein kurzes Stück um die Ecke und werfen den Anker in der Caleta Hidden. Hier sind wir vor allen Winden gut geschützt und haben obendrauf noch ein hübsches Panorama auf Cabo Forward und die umliegenden Berge. Somit ist der erste Abschnitt unserer Südreise abgeschossen. Wir haben die Insel Tierra del Fuego/Feuerland hinter uns und die Magellanstraße erreicht.
Wow, die Magellanstraße…einer der geschichtsträchtigsten Orte dieses Planeten, was das Abenteurer.- und Endeckertum betrifft…Wow…da krieg ich direkt Gänsehaut…danke für die tollen Berichte…und immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel…😃…
Abenteurergrüße
vom Thorsten
Jo, schon toll hier. Nicht immer einfach, aber lohnenswert.
Grüße aus dem Süden
Thomas