(13.01.2016 – Tag 600 – 11.287)
An einem verregneten windreichen Tag verlassen wir die Caleta Coloane und fahren durch den schmalen und gut geschützten aber eigentlich verbotenen Canal Barro Merino, der die zwei Arme des Beagle Kanals – Brazo Sudoeste und Brazo Nordoeste – miteinander verbindet. Da wir dieses mal auch eine Strecke nach Osten fahren müssen, können wir uns jetzt daran erinnern, wie leicht und entspannt Segeln vor dem Wind ist. Statt mit 2-3 Knoten gegen den Wind kreuzen zu müssen, gleiten wir mühelos mit 8 Knoten durchs Wasser. Wir sind halt in einer ausgeprägten Westwindzone.
Im Seno Pia treffen wir auf die ersten Eisbrocken. Natalya hält zwar vorne Ausschau, aber es ist nichts Gefährliches. Die Eisberge sind recht klein und nicht wirklich zahlreich. Der Anker fällt in der Caleta Beaulieu. Unser eingespieltes Landleinenteam bestehend aus Uwe und Vsevolod befestigt schnell zwei Heckleinen an den am Strand stehenden Bäumen. Die Kinder entdecken am Strand eine Feuerstelle und sammeln begeistert Holz. Gleich am ersten Abend sitzen wir um ein wärmendes Lagerfeuer. Leider fängt es zu regnen an, was zu einem relativ frühen Rückzug auf die Outer Rim führt.
Für den nächsten Tag ist eine Gletscherbesichtigung geplant. Wir suchen uns ein regenfreies Wetterfenster und steigen ins Dinghy. Der Motor startet … und stirbt ab. Vergeblich versucht Thomas ihn zum Laufen zu bringen. Der Motor macht keinen Mux, nur Benzin kommt tröpfchenweise aus dem Vergaser heraus. Die Kinder werden langsam ungeduldig, daher entscheiden wir uns am Strand anzulanden und sie dort spielen zu lassen. Die Sonne kommt raus und mit ihr das schöne warme Licht, welches das Wasser türkis und den oberen Teil des Gletschers in unserer Bucht leuchtend blau erscheinen lässt. Wir kämpfen uns durch den Wald auf die Hügelspitze um von oben einen Blick auf das Spektakel zu werfen. Für die Kraxe ist das Unterholz zu dicht, daher muss Arvid ein Teil der Strecke selbst laufen. Thomas winkt uns von unten, der Motor scheint wieder zu laufen. Wir steigen wieder herunter, aber keiner hat wirklich Lust jetzt noch zum Gletscher zu fahren. Der Himmel ist fast vollständig bedeckt, wahrscheinlich wird es bald wieder regnen. Arvid ist müde und soll eh schlafen.
In der Zwischenzeit nimmt Natalya das Schlauchboot und rudert zu der in einiger Entfernung gelegenen Insel. Als sie dort ankommt, stellt sie fest, dass das Wetter sich deutlich gebessert hat. Die niedrigen grauen Wolken, die vorher die Bergspitzen umhüllt haben, sind verschwunden, und die wie mit frischem Puderzucker bedeckten Bergspitzen leuchten vor dem blauen Himmel. Im Eiltempo rudert Natalya zurück und trommelt die ganze Mannschaft wieder zusammen. In weniger als fünf Minuten sitzen alle im Dinghy. Drei Kilometer trennen uns vom Gletscher. Wir freuen uns, dass der Motor wieder läuft.
Das Wetter ist genial. Wir fotografieren die Gletscheraus der Ferne und das im Wasser treibende Eis. Danach nähern wir uns langsam dem großen Gletscher. Aus der Ferne erscheint er schmutzig grau. Kommt man näher, entdeckt man seine klare Struktur aus grauweißen sich abwechselnden Streifen. Von allen Gletschern, die wir bis jetzt gesehen haben, ist das hier der mächtigste. In seiner Nähe fühlt man sich in einem kleinem Schlauchboot winzig klein und absolut machtlos. Das Eis ist stark zerklüftet. Wie riesige Kristalle ragen meterhohe Eisblöcke gegen den Himmel. Durch das versandete Ufer und die darin steckenden Eisberge tasten wir uns langsam zu einem Sandstrand und landet dort an. Das Wasser ist so flach, dass wir etwa 30 Meter bis zum Ufer laufen müssen. Passagiere mit kurzen Gummistiefeln müssen ans Ufer getragen werden. Sobald am Ufer angekommen rennen die Kinder zum Gletscherfluss und versuchen so viele Trittsteine ins Wasser zu werfen, dass man den Fluss überqueren könnte. Das Wasser hier ist richtig milchig. Am Ufer entdecken wir wieder frische Biberspuren, aber leider keine Tiere. Die Biber hier sind schon hart im Nehmen. Wie kommen sie mit so einem schnellen, eiskalten Fluss zurecht? Es ist schon Abend, und wir müssen uns wieder auf den Rückweg begeben. Unser Dinghy ist mit sieben Personen zu schwer zum Gleiten. Wind und Welle arbeiten gegen uns, was uns ab und zu eine kalte Dusche beschert.
Der nächste Tag bringt eisige Kälte und Schneeregen mit. Die Berge und Gletscher sind vom Nebel umhüllt. Wir sind froh, das kleine Wetterfenster gestern genutzt zu haben. Auf die nächste Gelegenheit kann man hier wohl wochenlang warten. An solchen feuchten Tagen haben die Kinder viel Zeit für die Schule. Thomas und Vsevolod fahren mit dem Dinghy zum nächsten Wasserfall und füllen die Wasserkanister auf. Es ist angenehmer als den Wassermacher laufen zu lassen und spart uns ein wenig Diesel. Auch die Kinder haben schon gelernt: „Jeder gesparter Liter Diesel kann zum Heizen verwendet werden“.
Wir sitzen wieder im Funkloch und können nicht einmal die Kontrollpunkte der Armada erreichen. Ein kleines Kreuzfahrtschiff, das Touristen zum Gletscher fährt, meldet sich bei uns und fragt, ob wir das Boot Loul gesehen haben. Haben wir, aber es ist schon acht Tage her. Offensichtlich werden sie aktuell von der Armada gesucht. Das riecht nach Ärger. Wir bitten die Terra Australis unsere Position an die Armada weiter zu leiten, damit wir nicht in der ähnlichen Situation geraten. Die Armada hier nimmt die Meldepflicht sehr ernst.