SY Outer Rim – A Family's Sailing Adventure

Sailing across the world's oceans with four kids

Frühlingstage in Feuerland

(Tag 568 – 11.058)

Scharfe Kontraste lassen uns unsere neue Umgebung besonders intensiv wahrnehmen. Nach einigen Wochen in der argentinischen Pampa und den kahlen Wänden und Hügeln der Caleta Horno treffen wir in der Bahia Relegada am nördlichen Ufer des Beagle Kanals auf einen unglaublich grünen Frühlingswald. Für diesen Teil der Reise haben wir alle warmen Sachen eingepackt, die wir gefunden haben – und sie werden jetzt wirklich gebraucht. Ein immergrüner saftiger Laubwald ist dann ziemlich das letzte, was man bei so einem Klima erwarten würde. Die baumfreien Hügel am Ufer sind von einem Teppich aus Gänseblümchen und Pusteblumen bedeckt. Das sieht nach zuhause aus. Gab es sie hier schon immer oder haben die Siedler die aus Europa eingeschleppt?

Unsere Großen haben voller Freude ihre Schnitzmesser eingepackt und wollen Speere und Pfeile schnitzen. Die scheinbar so eine einfache Aufgabe einen jungen geraden Zweig zu finden erweist sich dabei als unlösbar. Alles von Stamm bis zum jüngsten Zweig ist krumm. Am Boden liegt ziemlich viel totes Holz, hier und da sind frische Bruchstellen zu sehen. Es ist ganz klar wer in diesem Wald das Sagen hat. Die Bäume am Waldrand zeigen mit ihren Kronen deutlich nach Osten, folgend der Richtung der vorherrschenden Winde. Ähnlich wie im tropischen Regenwald nutzen einige Parasiten die großen Bäume als ein bequemes Zuhause und kostenlose Nahrungsquelle. Manche Bäume sind so voll von mistelähnlichen Kugeln, dass wir sie erstmal für die Blütenstände des Baumes halten. Auf anderen Bäumen wachsen komisch aussehende Ringe aus orangefarben dicht aneinander sitzenden Kugeln. Es handelt sich um Cyttarien, eine Pilzart, deren Name in der lokalen Indianersprache Brot bedeutet. Werden die Cyttarien zu stark, führt das zum Absterben des ganzen Baumes.

Keine zehn Meter vor uns entfernt trotten drei kleine Fuchsjunge zu ihrem Versteck unter einem dicken umgefallenen Baumstamm. Sie sind noch ganz flauschig und kaum größer als ein kleiner Hundewelpe. Wir halten nach der Mama Ausschau. Kurze Zeit darauf taucht ein Pampafuchs mit einem klassischen pelzigen buschigen Schwanz auf und versucht uns von dem Versteck der Jungen abzulenken. Als wir nicht darauf hereinfallen, kuschelt er sich an einen dicken Baumstamm und beobachtet uns aufmerksam. Seine Tarnung ist so perfekt, dass man ihn dort kaum sieht. Die Kinder sind ganz begeistert und wollen sich die Stelle merken, um morgen wieder die Welpen beobachten zu können. Auf dem Weg zum Dingi entdecken wir im Unterholz noch rote appetitlich aussehende Beeren.

Nicht weit unseres Ankerplatzes befindet sich die älteste Estantia in der Gegend – Estancia Harberton, die zum lokalen Kulturerbe gehört und besichtigt werden kann. Nach kurzem Studieren des Reiseführers entpuppt sie sich als Touristenfalle. Busse, die aus Ushuaia anrollen, bestätigen unsere Einschätzung. Die Preise sind auch happig. Eine Übernachtung in einem Tripple kostet US$ 130 pro Person, ein Mittagessen 30, ein Ausflug zur Pinguininsel 50. Bei solchen Preisen braucht die Estancia wahrscheinlich gar keine Schafe oder Rinder mehr zu halten. Die Touristen machen wesentlich weniger Arbeit und bringen mehr Geld in die Kasse.

Da wir von Aramia seit zwei Tagen nichts mehr gehört haben, entscheiden wir uns, sie in der Nachbarbucht zu Fuß zu besuchen. Der Weg führt an einem kleinem Fluss vorbei. Der ist akkurat gestaut, und nicht weit weg vom Damm entdecken wir eine runde Hütte einer Biberfamilie. Leider sind die Hausbesitzer nirgendwo zu finden. Der weitere Weg führt an der Estantia Harberton und einem kleinen Campingplatz vorbei. Der ist auch gut besucht. Es wäre sicherlich schön hier zu zelten, direkt angrenzend ist ein Fluss zum Fischen. In der Ankerbucht Cambaceres wartet eine große Enttäuschung auf uns – Penny und John sind nicht zuhause, nicht einmal ihr Schlauchboot können wir finden. Nachdem Talora und Arvid auch den letzten trockenen Kelp am Strand in Sichtweite der Aramia umgedreht haben, laufen wir zurück zum Outer Rim. Das Wasser ist schnell zurück gegangen und wir müssen unser Dinghy über Steine mühsam zum Wasser schleppen. Der Wasserstand hier ist nicht nur Tiden, sondern auch windabhänigig. Lässt der Wind nach, zieht sich das Wasser sehr schnell zurück. Vor der Tür wartet eine große Dose mit einem lecker aussehenden Schokoladenkuchen. Penny und John waren in der Zeit bei uns! Sie sind mit ihrem Dinghy die 3 Meilen zu uns rüber gefahren. Wir funken sie an und bedanken uns für den Kuchen.

Da wir hier den ganzen Tag Kanal 16 auf VHF an haben, bekommen wir einige interessante Unterhaltungen mit. Zwei deutsche funken: „Wie war es denn?“ „Ach ja, halb so wild, 5 bis 6 Meter Welle, manchmal etwas mehr und einiges an Eis. Ich habe es schlimmer erwartet!“. Da fragt man sich schon wohin und womit der Mann unterwegs war…

Am Dienstagmorgen gibt es dann nochmal richtig Stress und Frust an Bord und viele Stunden Arbeit im Motorraum. Die Kinder wollen Waffeln zum Frühstück. Das Waffeleisen zieht so viel Strom, dass währenddessen der Dieselgenerator laufen muss. Ist ja kein Problem, die Batterien brauchen eh mal wieder etwas mehr Ladung. Mit der letzten Waffel beginnt der Generator plötzlich zu stottern, dann stirbt er ab. Versuche, ihn wieder zu starten, scheitern kläglich. Die Fehlersuche beginnt … Dieselfilter überprüfen. Der ist vor kurzem ausgewechselt worden und ist ganz klar. Impeller prüfen. Eine Lamelle ist abgerissen. Klar wird der Impeller ausgetauscht, aber das war nicht Grund des Generator-Ausfalls. Dann findet Thomas noch den zweiten Dieselfilter direkt am Motor. Auch auswechseln – kein Starten. Im Glasfenster des Filters ist auch Diesel zu sehen, es scheint also Treibstoff hochgepumpt zu werden. Aber der Generator startet nur ab und zu und dann nur für eine kurze Zeit. Zu geringer Dieselfluss? Dieselpumpe kaputt? Der Frust ist groß … zwar kann man ohne Generator hier auch überleben, aber es geht kein Wassermacher, keine Waschmaschine, und unser Strombedarf ist höher als vom Windgenerator geliefert werden kann. Gut, dass Ushuaia nicht weit ist. Über Nacht kommt dann Thomas die Idee … ist der Tankanzeiger des Steuerbordtanks defekt? Wir hatten das ja auch am Backbordtank. Und tatsächlich: Ein Blick in den Tank zeigt gähnende Leere. Die Tankuhr zeigt 45%, aber der Tank ist leer. So viel Stress wegen eines Konstruktionsfehlers der Tanksensoren. Gut, dass das beim Betrieb des Generators und nicht der Antriebsmaschine aufgefallen ist. Das hätte böse ausgehen können. Wir schalten auf den Backbordtank und weiter geht’s …

Auch wenn wir von dem Blick der verschneiten Bergen und grünen Wäldern nicht genug kriegen können, entscheiden wir am Abend, morgen einen neuen Ankerplatz zu suchen. Und was für einen Tag wir uns da ausgesucht haben …! Die Kinder stehen früh auf und sind aus dem Häuschen: „Es schneit!“ Nicht nur weit in den Bergen, sondern direkt bei uns. Das Deck wird mit einer weißen Schicht überzogen, in der Luft stoben dicke schwere Flocken. Arvid will einen „Neemann“ bauen. Er hat noch nie Schnee gesehen, aber mit Hilfe von Büchern doch den Schnee mit Schneemann in Verbindung gebracht. Als der Schneesturm nachlässt verlegen wir zu Isla Martillo um Pinguine zu beobachten. Es ist so neblig, dass man nicht nur keine Pinguine, sondern auch keine Berge mehr sieht. Weniger als eine halbe Meile vor dem Ziel muss Thomas den Radar anschalten, da die Insel im plötzlich aufkommenden Schneegefege vollständig verschwindet. Wir ankern direkt am Pinguin-Strand.

Gegen Mittag reißt der Himmel auf, die Sonne scheint, blauer Himmel. Alles wird stehen und liegen gelassen, die Crew zieht schnell drei-vier Schichten Kleidung übereinander an und springt ins Schlauchboot. Außer Magellanpinguinen, die wir schon vorher ausgiebig beobachtet haben, entdecken wir drei Königspinguine, die getrennt vom Lärm der Magellankolonie separat an der Spitze der Insel stehen. Normalerweise brüten diese großen Pinguine auf den subanantarktischen Inseln wie Südgeorgien oder Macquaire Inseln und sind hier richtig selten. Nicht weit von ihnen ist ein einsamer Eselpinguin zu sehen. Interessanterweise brüten diese zwei Arten oft nebeneinander. Mit Magellanpinguinen scheinen sie aber nichts am Hut haben zu wollen. Wir dürfen zwar nicht an Land, aber wir tuckern mit dem Dinghy ein paar Zentimeter vom Ufer entlang. Dadurch können wir die Pinguine hautnah im Wasser und am Strand erleben. Alle sind begeistert.

Der Ankerplatz vor der Insel ist zu ungeschützt, nach unsrem Inselbesuch kommt Wind auf und schickt weiße Pferde auf kleinen Wellen den Beagle Kanal Richtung Osten. Daher fahren wir nach dem Mittagesen weiter und setzen den Anker in der Bahia MacKinlay. Sie ist so tief, dass wir mit der Outer Rim fast bis zum Strand fahren können. Den ganzen Tag bleibt der Wind frisch und unser Windgenerator produziert fleißig Strom. Zwischendrin gibt es immer wieder Schneefall, teilweise Hagel. Ist frisch hier im Spätfrühling.

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 17. Dezember 2015 von in Uncategorized.
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