(Tag 341 – 7.288 sm)
Land in Sicht! Nach 16 Tagen auf See, mitten im blauen Nichts, freuten wir uns riesig über einen schmalen Streifen Land am Horizont. Leider wehte so gut wie kein Wind, und wir mussten einen halben Tag unter Motor fahren. Als wir uns der Küste annäherten wurden die Umrisse von Salvador immer deutlicher. Der Kontrast zu Afrika ist überwältigend. Statt einer chaotischen Anordnung von Lehm- und Strohhütten erschien vor uns eine moderne Millionenstadt – die drittgrößte Brasiliens – mit ihren Hochhäusern, Straßen und Parkanlagen. Wir fühlten uns wieder in der Zeit versetzt – „zurück in die Zukunft“.
Die letzten Tage auf See waren mühsam. Nur einen Tag hatten wir wirklich beständigen Passatwind. Aber selbst an diesem Tag kam eine kleine Regenfront dazwischen, die zu Segelwechsel und Reffen zwang. Tage zuvor hatte uns eine Regenfront überrascht und wir verloren dabei unseren Gennaker – das Leichtwindsegel. Die erste Böe aus der Front ließ die Outer Rim unter Gennaker in die Sonne schießen (d.h. das Boot dreht sich in den Wind ohne dass man noch gegensteuern kann). Dabei löste sich der Schäkel der Schot. Die am Schothorn befestigte Leine schlug dann im Wind hin und her und zerriss dabei das Segeltuch. Tage später, als dann der Wind wieder nachließ, hätten wir den Gennaker gut gebrauchen können. Nun, das kann man flicken.
Je weiter wir uns der Küste näherten, desto unbeständiger und schwächer wurde der Wind. Teilweise trieben wir mit 2,5-3 Knoten dahin. Thomas bastelte immer wieder an der Segelstellung, um noch etwas mehr Fahrt heraus zu bekommen. Und dann kamen immer wieder Böen aus Fronten dazwischen. Dann wurde gerefft und wir fuhren noch langsamer als ohne Wind.
Die Stimmung an Bord war aber immer sehr gut. Wir genossen die ruhige Zeit an Bord zusammen. Neben viel Lesen war natürlich auch täglich Schulunterricht angesagt. Arvid hielt uns – wie kann es anders sein – am meisten auf Trab. Da war es natürlich sehr hilfreich, dass Franka und Vsevolod auch mal die Betreuung übernahmen. So konnten sich Thomas oder Natalya auch untertags für eine Stunde ausruhen. Und zur Stärkung gab es täglich frischen Salat und Gemüse. Wir waren froh, in Bissau reichlich eingekauft zu haben. Die Auswahl dort war zwar nicht groß, aber das Gemüse war so gut, dass es sich sehr lange frisch hielt.
Lange vor der Ankunft in Brasilien beschäftigten wir mit dem Gedanken, in welche Marina wir gehen sollen – alle haben ihre Vor- und Nachteile. Bahia Marina ist sehr teuer, Pier Salvador hat eine Sandbank in der Zufahrt, Terminal Nautico befindet sich im Industriehafen. Schließlich entschieden wir uns für Pier Salvador. Aber die Flut war vorbei und es war klar, dass wir heute nicht mehr über die Sandbank kommen. Das geht bei unserem Tiefgang nur kurz vor bis kurz nach Hochwasser. Daher suchen wir uns einen Ankerplatz. Nach ein paar weiteren Meilen werfen wir Anker vor der Insel Itaparica. Die Insel ist sanft hügelig. Durch die Lücken im grünen Teppich scheinen weiße Häuser hindurch. Eine alte portugiesische Kirche ist von Weitem zu erkennen. Kurz nach der Ankunft werden wir von Anja und Thomas von der SY Robusta begrüßt. Als sie erfahren, dass unser Skipper auch Thomas heißt, sind sie ganz entzückt. Hier liegen vier deutschsprachige Boote und alle Skipper heißen Thomas. Die Nacht ist schön ruhig – keine Squalls, kein Reffen, keine Frachter in Sicht. Einfach nur schlafen.
Am nächsten Tag erkundeten wir den Ort. Viele alte Bäume spenden Schatten, es weht eine leichte Brise vom Meer. Die Straßen sind von alten portugiesischen Häusern gesäumt. Es gibt keine zwei gleichen Häusern, und alle sind farbenfroh gestrichen. Auf dem zentralen Platz im Ort entdecken wir einen Gemüsehändler, und sein Laden erscheint uns nach dem dürftigen Angebot in Afrika wie ein Schlaraffenland. Saftige rote Tomaten, glänzende Paprika, große Melonen – alles makellos und zu fairen Preisen. Von manchen Sachen wissen wir nicht mal wie die heißen. Eine zur Experimentzwecken gekaufte gelbe Frucht entpuppt sich zuhause als Maracuja. Wer wusste wohl, das sie auch gelb sein können.
Weiter geht es durch den Ort. An jeder Ecke sieht man Restaurants und kleinere Imbisbuden. Die meisten haben zu, wahrscheinlich machen sie erst am Wochenende auf, wenn die Bewohner von Salvador zur Entspannung hierher kommen. Lieder ist die Chocolateria auch geschlossen, so appetitlich wie das klingt. Die Kinder entdecken einen kleinen Spielplatz. Die Geräte sind fast vollständig aus Holz, auch die Rutsche. Alles schlicht und einfach, aber den Kindern macht es Spaß. Von der Trockenzeit in Afrika sind wir ganz verwöhnt – es regnet dort nicht, und demzufolge gibt es auch keine Pfützen. Hier ist das anders. Es regnet fast jeden Tag. Als Arvid für 5 Sekunden aus den Augen gelassen wurde, steht er in einer dicken Schlammpfütze. Füße und Schuhe werden gewaschen, Arvid will mit den nassen Sandalen nicht mehr laufen. Als wir mit Arvid über den weiteren Weg diskutieren, spricht uns eine Frau auf portugiesisch an. Es stört sie nicht, dass wir kein Portugiesich verstehen, sie erzählt immer weiter, ganz geduldig versucht sie uns ein bisschen Portugiesisch beizubringen. Sie hat auch zwei Kinder und sie sind schon verheiratet. Zwei Caballeros in Badehose und mit Hut laufen ganz entspannt die Straße entlang, Dressvode wird hier nicht überbewertet.
Auf dem Rückweg kaufen wir noch Brot für das Abendessen, was ohne Portugiesisch nicht so einfach ist. Das Wort für Brot – Pao – fanden wir schnell raus, aber wie heißt denn 12, unser Wortschatz reicht nur bis 10? Da es keiner von uns mehr weiß, bestellen wir bei der Verkäuferin 10 und 2 Brote. Immer noch zu wenig, dann geht Vsevolod noch mal in den Laden rein und findet raus, dass 12 „Doce“ heißt. Jetzt haben wir 24 Brötchen.
Am Mittwoch Vormittag brachte uns ein Taxi in das nächste Dorf – Mar Grande. Sobald wir aus dem Taxi aussteigen, versucht man uns eine Bootstour anzudrehen. Nein danke, wir würden gerne nach mehr als zwei Wochen auf See wenigsten ein Paar Stunden am Tag am Land bleiben. Im Ort herrscht ein geschäftiges Treiben. Frauen stehen voll bepackt mit Einkaufstüten auf der Straße und warten auf ein Taxi. Es tut uns gut zu sehen, dass die Menschen hier auch sich was leisten können, und nicht wir in den letzten drei Ländern sich Gedanken machen müssen, ob sie heute eine ganze oder eine halbe Paprika auf dem Markt kaufen können. Arvid kauft sich ein Paar Schuhe – so was gab es in Afrika auch nicht. Als er im Laden einen rechten Schuh anprobiert, will er unbedingt gleich einen zweiten dazu haben. Nachdem er erfährt, dass zu den Schuhen auch noch ein Plüschhund gehört, freut er sich noch mehr. Wir fahren mit einem Bus zu der Marina zurück und treffen noch die Crew von einem deutsch-frantösischen Katamaran, den wir das letzte mal in Arecife gesehen haben. Sie sind schon seit drei Monaten in Salvador und geben uns einige Tipps auf den Weg. Es ist erstaunlich, wie klein doch die Welt ist. Zum Abschluss des Tages gehen die Kinder vom Boot aus baden. Das Wasser ist warm und sauber.
Bilder werden wir übrigens kaum liefern können. Die Sicherheitslage in Brasilien, insbesondere in der Gegend Salvador, zwingt einen, keinerlei Wertgegenstände mit sich zu tragen. Dazu gehört natürlich auch unsere Kameraausrüstung. Wir werden versuchen, uns in Salvador eine günstige Schnappschusskamera zu kaufen, damit wir wenigstens ab und zu ein Bild machen können. Von Itaparica gibt es daher nur ein Bild vom Wasser aus.
Hallo Ihr Sechs,
gratuliere zur erfolgreichen Atlantiküberquerung. Am besten gefällt mir ja das Bild von Thomas in kurzen Hosen bei Regen; sieht so gemütlich aus 🙂
Hoffe, dass im neuen Kontinent weiterhin alles klappt und Ihr weiter so tolle Eindrücke sammeln könnt.
Viele Grüße aus dem verregneten München (leider fällt das Maibaumaufstellen heute bei uns aus)
Jörg
Danke Jörg!
Den ersten Regen haben wir sogar alle ohne Kleidung begrüßt … aber davon gibt es (glücklicherweise) kein Bild 😉
Gruß aus Bahia
Thomas + family