SY Outer Rim – A Family's Sailing Adventure

Sailing across the world's oceans with four kids

Rock and Roll auf Fatu Hiva

(16.02.2017 – Tag 971 – 19.318 sm)

Die etwas abseits liegende Insel Fatu Hiva soll angeblich ihre Ursprünglichkeit im höherem Maße bewahrt haben als das stärker besiedelte Hiva Oa. Außerdem gibt es hier laut Revierführer einen der schönsten Ankerplätze im Südpazifik. Deswegen nehmen wir den Umweg in Kauf und fahren 40 Meilen nach Südosten. Der Wind ist die ganze Woche über schwach bis nicht vorhanden. Daher motoren wir die Strecke über glatte See.

In der Bucht liegen bei unserer Ankunft bereits drei weitere Boote, aber für uns ist noch genug Platz. Wir ankern relativ nah am Ufer. Um uns vor dem leichten Schwell zu schützen, bringen wir einen Heckanker aus. In der Nacht schlafen wir recht ruhig, das Boot schaukelt nur sanft im leichten Schwell. Am nächsten Tag kommt sukzessive immer mehr Schwell an. Anfangs fällt uns das gar nicht so auf … bis die Outer Rim auf über einem Meter hohen Wellen tanzt. Zwei unserer Nachbarn heben eilig die Anker und verschwinden. Sie wollen sich in eine Bucht im Osten der Insel verziehen. Wir tippen auf ein kurzes Unwetter und bleiben. Das wird sich schon beruhigen – denken wir! Doch von „kurz“ kann keine Rede sein. Über Nacht nimmt das Schaukeln immer weiter zu. Thomas schaut am Morgen aus dem Cockpit und stellt fest, dass das Heck aufs offene Meer raus zeigt. Offensichtlich ist unser Heckanker in der Nacht ordentlich gewandert. Wir setzen ihn nochmals mit der gesamten Leine, die uns zur Verfügung steht. Jetzt greift er hoffentlich.

Wir packen unsere Sachen und fahren an Land. Hinter einem kleinen Wellenbrecher kann man recht ruhig mit dem Dinghy anlegen. Dann stellt aber Arvid fest, dass er seinen Ball vergessen hast. Thomas fährt mit dem Dinghy nochmal zurück. Währenddessen versucht einer der Einheimischen Natalya zu vermitteln, dass man hier auf die Wellen aufpassen muss. Natalya denkt sich nichts dabei und glaubt, dass diese Empfehlung eher allgemein gültig ist, wir sind ja ohne viel Welle herein gefahren. Auch Thomas denkt in dem ruhigen Wasser hinter der Schutzmauer nicht an die See draußen und düst aus dem Schutz heraus. In dem Moment, als der Bug des Dinghys hinter dem Wellenbrecher vorlugt kommt Thomas eine gewaltige Welle entgegen. Fast wie eine Wand kommt das Wasser auf das kleine Dinghy zu. In solchen Momenten wissen wir unser schweres Dinghy mit starkem Motor zu schätzen (Wenn man das schwere Ding am Strand aus dem Wasser ziehen muss, ist man natürlich regelmäßig anderer Meinung.) Thomas gibt schnell Vollgas rückwärts, kann aber der Welle nicht entkommen. Der Brecher hebt das kleine Boot mit Thomas hoch in die Luft, Wasser kommt an der Seite über und schwappt ins Dinghy und füllt es halb mit Wasser. Doch es kentert nicht und Thomas kann nochmal von vorne beginnen. Dieses Mal zählt er die Sekunden zwischen den Wellen und düst in einem Wellental aus dem kleine Hafen heraus. Wieder eine Lektion gelernt. Gut, dass das Dinghy nicht voll beladen war. Nach fünf Minuten kommt Thomas mit dem Ball wieder zurück und Arvid ist glücklich.

Wir erkunden die Versorgungsmöglichkeiten auf der Insel. Im Ort gibt es einen kleinen Laden, den man nur barfuß betreten darf. Schuhe bleiben draußen auf der Treppe stehen. Er bietet nichts außer Konserven und Trockenfutter. Keine Spur von Gemüse. Wir kaufen uns aus Frust ein paar Kartoffelchips für den Abend. Einer der Insulaner bietet uns Früchte an und fragt, ob wir Rum im Tausch dafür haben. Natürlich tragen wir nicht immer eine Flasche Rum mit uns herum. So kramen wir später aus den Bilgen ein zweifelhaftes argentinisches Gebräu (in Ushuaia für 2,5 Euro gekauft in der Hoffnung auf Tauschgeschäfte mit Fischer in den chilenischen Kanälen) und kehren nochmal zurück. Nach 7 Tausend Meilen können wir die Flasche tatsächlich eintauschen. Wir haben schon gedacht, wir müssen das Gesöff selber trinken. Die Flasche ist aber nur auf Spanisch mit Cana (Zuckerrohrschnaps) beschriftet, was unser Tauschpartner ziemlich verdächtig findet. Natalya mit ihrem französisch kann ihm nicht ganz erklären, was drin ist. Doch nach einer Kostprobe ist er überzeugt und gibt uns dafür acht große Pampelmusen. Natalya fragt noch nach Fisch. Fisch wird im Gegensatz zu Früchten für Geld verkauft. Wir bekommen einen uns unbekannten Raubfisch. Dieses Mal haben wir Zweifel. Kann man den essen? Doch der Insulaner versichert uns, er sei nicht von Ciguatera betroffen.

Als wir zur Outer Rim zurückkommen hat der Schwell noch weiter zugenommen. Jetzt sind wir zu nahe am Strand und an den brechenden Wellen. Also dritte Ankeraktion in dieser Bucht: Wir holen den Heckanker ein und verlegen 30-40 Meter weiter nach draußen. Dort ist ja mittlerweile Platz, da die zwei anderen Segler verlegt haben. Hier ist aber das Wasser so tief, dass wir keinen Heckanker mehr ausbringen können. Damit sind wir jetzt dem Schwell völlig ausgeliefert. In der Abwesenheit des Windes richtet sich die Outer Rim parallel zu den Wellen aus und lässt sich mächtig durchschaukeln. Wir geigen mal 20 Grad nach Steuerbord, dann 20 Grad nach Backbord. Das Wasser kommt bis fast an die Deckkante, mal ist fast ein Meter vom Unterwasserschiff zu sehen. Das Aussteigen aus dem Dinghy wird damit zum Abenteuer und erfordert exaktes Timing.

Ein kleines Motorboot wirft am frühen Abend seinen Anker in unserer Nähe. Wir beobachten das Ganze kritisch, sagen aber erst mal nichts. Mit drehendem Wind wird aber klar, dass wir uns sehr nah kommen und ggf. sogar zusammenstoßen. Das geht so nicht. Wir winken dem Skipper zu, der inzwischen an Land ist. Er kommt angeschwommen und fummelt am Anker herum und geht irgendwann auch Anker auf. Aber wohin? Er dreht zwei Kreise, dann wirft er den Ankern fast auf der gleichen Stelle wieder. Veto unsererseits. Also wieder hoch mit dem Eisen und ein paar Meter weiter. Aber jetzt ist er zu nah an den Felsen. Dann kommt ein lokales Fischerboot und versucht zu vermitteln. Sie fragen uns ein paar Mal nach irgendwas mit Metern. Ok, so gut ist unser Französisch nicht, aber es kann sich ja nur um die Kettenlänge handeln. Also unsere Antwort: „50 Meter“. Ungläubige Blicke auf der anderen Seite. Nochmals nachfragen. Immer noch 50 Meter. Dann nimmt das Motorboot seinen Anker und verlegt näher an den Strand, weit genug von uns weg. Genau das hatten wir ihm vorher schon vorgeschlagen. Natalya lässt die Konversation nicht los und recherchiert im Wörterbuch, was den die Frage war. Peinlich … die Männer hatten nicht nach der Kettenlänge sondern nach der Tiefe gefragt. Nun, 50 Meter ist es hier wirklich nicht tief.

Hatten wir aber gedacht, mehr kann es hier nicht schaukeln, übertrifft die nächste Nacht unsere Erwartungen. Unter Deck wandert alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Die Wellen schlagen gewaltig gegen das Heck. Die Kinder schlafen trotzdem durch. Die Erwachsenen sind am Morgen müder als am Abend. Beim Frühstück droht das Geschirr vom Tisch zu fallen. Frühstück mitten im Pazifik war einfacher. Zum Glück sind wir so ans Schaukeln gewohnt, dass keiner von uns seekrank wird. Eigentlich soll man hier weg, aber unser Schlauchboot können wir bei solchen Bedingungen nicht hochheben und erst morgen soll es genügend Wind für die Überfahrt nach Tahuata geben. Gischt hängt in der Luft.

Natalya geht erst Mal mit Franka auf Wandertour. Nach einem schönen Vormittag kommen sie am frühen Nachmittag triefend nass zurück. Hier schlägt das Wetter recht schnell um. Aber es ist ja warm genug, um schnell wieder trocken zu werden. Wir machen uns etwas Sorgen um unser Dinghy. Mit dem Wellengang hier ist nicht daran zu denken, es an den Davits hoch zu heben, und eigentlich wollen wir ja morgen ablegen. Mit Dinghy im Schlepptau lässt es sich nicht so gut segeln, insbesondere nicht eine Strecke von 35 Meilen. Wir haben aber Glück! Für ein paar Minuten schläft der Wind und(!) der Schwell. Mit viel Akrobatik und Konzentration schafft es Thomas, das Dinghy anzuhängen und schnell hoch zu heben bevor die Wellen zurück kommen. Geschafft! Wir können jederzeit ablegen.

Gegen Abend fährt in die Bucht ein großer Katamaran ein. Was für ein Kamikatze? Will er jetzt hier ankern? Der Skipper dreht eine Runde, dann eine zweite. Ausführliche Diskussion an Bord. Dann überzeugen wohl unser wie wild schaukelnder Mast und die Brecher am Ufer, dass hier und heute nur ein Wahnsinniger freiwillig Anker wirft. Er dreht um, und fährt wieder in die gleiche Richtung zurück aus der er gekommen ist. Es ist besser, erst um Mitternacht Anker zu werfen als heute vor Fatu Hiva.

Wir überlegen noch, ob wir auch die Nacht durchfahren sollen, doch wir entscheiden uns gegen die Nachttour und bleiben noch eine Nacht in der „Rock-and-Roll“ Bucht. Keine gute Entscheidung? Am späteren Abend wir die Outer Rim von einigen stärkeren thermischen Böen herumgeworfen. Ein Blick auf den Anker-Plotter zeigt, dass sich der Swojekreis dadurch nachhaltig verändert hat. Man hatte uns schon vorher gewarnt, dass hier der Halt im felsigen Grund nicht optimal ist. Jetzt scheinen wir tatsächlich auf Drift gegangen zu sein. Zwar nur 20 Meter, aber das reicht, um jetzt an einer wesentlich tieferen Stelle zu liegen. Mehr Kette geht jetzt nicht, da wir sonst zu nah an den Felsen liegen. Also vierte Ankeraktion: Wir holen den Anker in stockfinsterer, mondloser Nacht hoch und suchen uns mit Radar und Natalya am Bug mit Taschenlampe einen neuen Platz. Natalya steht am Bug, hört die an den Felsen zerschellende Brecher und sieht den Schaum vor dem Boot. Ganz geheuer ist ihr dabei nicht. Dieses Mal gehen wir auf Nummer sicher und legen uns weit draußen in 30 Meter tiefes Wasser.

Am nächsten Morgen geht es zu der nächsten Insel – Tahuata. Der Anker scheint beim Aufholen nicht mehr dort zu liegen, wo wir ihn fallen gelassen haben. Wieder geslippt? Aber eigentlich gab es keinen starken Wind in der Nacht. Dieser Ankerplatz wird uns wohl lange in Erinnerung bleiben.

2 Kommentare zu “Rock and Roll auf Fatu Hiva

  1. Stefan Schiller
    29. März 2017

    Hallo Thomas,
    Fatu Hiva kennen wir auch, wirklich beeindruckende Gegend. Da habt ihr aber abenteuerliche und turbulente Stunden auf dem Wasser durchlebt – die bleiben sicher lange in Erinnerung.
    Die tollen Fotos spiegeln aber auch euren beeindruckenden Törn wider. Das entschädigt hoffentlich für die Rock’n’Roll-Schaukelpartie 🙂

    Wünsche euch noch entspannte Stunden auf See und immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel,

    Stefan

    • Thomas
      1. April 2017

      Hallo Stefan,
      ja, wirklich schöne Gegend. Jede Insel anders und alles (bis auf einen … siehe Artikel demnächst) nette Menschen hier. Bleibt alles nur positiv in Erinnerung.
      Gruß
      Thomas

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 16. Februar 2017 von in Uncategorized.
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