(05.02.2016 – Tag 625 – 11.632 sm)
Auch wenn die Bucht wunderschön ist, wollen nicht viel länger in der Caleta Mallet bleiben. Ihre Lage verspricht starke Windböen bei unruhigen Wetter und wenig Schutz. Daher ziehen wir nach zwei Nächten Aufenthalt wieder weiter. Auch wenn wir uns eine frische Brise aus Süd (sehr selten hier) wünschen würden, sind wir auch für die heutige Windstille dankbar. In diesem Gebiet herrschen meist kräftige Nordwinde, und genau nach Norden müssen wir auch. Da es heute gar keine Welle gibt, machen die Kinder unter Deck während der Fahrt Schule. Zwei Bergketten ziehen an uns vorbei. Die Flanken der Nordseite sind in den oberen Lagen mit Schnee überzogen.
Gleich im Paso Victoria – der Abzweigung nach Puerto Natales – erreichen wir unser Tagesziel in der Caleta Victoria. Schon bei der Einfahrt in die von Inseln gesäumten Bucht begrüßen uns zwei Delfine, die wie wild um unseren Bug herum schwirren. Sie springen in die Luft und vollführen fast Saltos. Die Crew auf dem Vordeck ist begeistert, Thomas versucht sich auf die enge Einfahrt bei geringer Wassertiefe zu konzentrieren. Teilweise weisen uns die Delfine den Weg durch das Flach. Wir werfen Anker und gehen rückwärts, um die zwei Landleinen auszubringen. Ein kurzer Blick in die Tidentabelle zeigt: So können wir nicht liegen bleiben. 1,2 m unter Kiel bei einem Wasserstand von 1,7 m über Niedrigwasser reicht nicht. Also Landleinen fieren und Anker dichter holen. Wir finden eine Stelle, wo wir auch bei Niedrigwasser nicht aufsitzen. Das sollte passen. Wir wollen eh nicht lange bleiben.
Da wir schon vor dem Mittagessen Anlegen bleibt noch ein ganzer Nachmittag für Wandern und Spielen. Wenn das Wetter schon so großzügig ist, wollen wir den Blick auf die Gletscher werfen. Die Sonne strahlt vom blauen Himmel – echtes T-Shirt-Wetter. Der Weg den Berg hinauf erweist sich als schwerer als gedacht. Unten kämpfen wir uns durch einen ziemlich undurchdringlichen Wald, bis wir einen sprudelnden Bach überqueren und auf der anderen Seite die Felsen hoch klettern.
Unser Lieblingsstrauch ist die Taique, bei uns bekannt als „ich-hasse-dich-Strauch“. Er erinnert an eine Stechpalme, weil seine harten Blätter mit mehreren Dornen enden. Auch wenn man beim Klettern abrutscht und Halt sucht, will man sich an einem Taique-Strauch nicht wirklich festhalten. Fühlt man sich aber nicht persönlich angegriffen, kann man die feinen scharlachroten Röhrenblüten der Taique bewundern. Kolibris dienen sie als Nahrungsquelle.
Auf der anderen Seite des Baches geht es steil nach oben. Wir klettern über mehrere massive Gesteinsbrocken, jeder von der Größe eines Hochhauses. Einige große, blau-metallisch schimmernde Libellen schwirren durch die Luft.
Vom Gipfel öffnet sich uns ein atemberaubendes Panorama. Über den strahlend weißen Bergspitzen entlang des Canal Union erstreckt sich ein grenzenloser, intensiv blauer Himmel. Die Bergspitzen stechen hervor. Dazwischen liegen Eisfelder, kommen Gletscher die Berghänge herunter. Wir sitzen lange am Gipfel und genießen die Ruhe und die Aussicht.
Zurück auf dem Boot – ist Baden angesagt. Das Bord-Thermometer zeigt knapp 20°C Wassertemperatur. Wir sind uns nicht sicher, ob das auch stimmt – die Referenzmessung mit einem Hand-Thermometer steht noch aus. Franka und Vsevolod suchen hektisch ihre Badesachen und finden nichts. Sie sind in der untersten Bilge, wer hätte ja gedacht, dass man hier schwimmen könnte … Die Badeleiter ist ähnlich tief vergraben worden. Aber es geht auch ohne. Sie springen ins Wasser und haben viel Spaß dabei. Arvid fordert sofort eine Pütz voll Wasser ein, um Füße zu baden. Es herrscht das Gefühl von Hochsommer. Zum ersten Mal seit Wochen können wir im Cockpit Abendessen. Alle Fenster sind breit geöffnet.
Als Natalya gegen Abend zur Buchteinfahrt hinausrudert um Ruhe zu genießen, trifft sie auf eine Gruppe von Peale-Delfinen. Sie sind so nah, dass Natalya ganz deutlich ihren Atem hört. Eines der Tiere taucht unter dem Dinghy und zeigt seinen weißen Bauch. Viel Spaß haben die Tiere mit dem schlappen Ruderboot nicht, die Outer Rim unter voller Fahrt ist ihnen viel lieber. Da kann man ordentlich Bugwellen ausreiten.
Da wir keinen aktuellen Wetterbericht haben, haben wir noch nicht entschieden, wie es weiter gehen soll. Bis Puerto Natales haben noch etwa 60 Meilen. Vielleicht klappt dabei noch ein Wiedersehen mit Aramia.