SY Outer Rim – A Family's Sailing Adventure

Sailing across the world's oceans with four kids

Opti-Segeln und Bergwandern auf der Isla Navarino

(Tag 585)

Seit fast einer Woche liegen wir im südlichsten Segelclub der Welt, Micalvi. Nachdem ein 1930 gebautes ehemaliges Rheinschiff der chilenischen Marine lange Dienst geleistet hat, wurde es hier, in einer geschützten Bucht, auf Grund gesetzt, um als Ponton für Yachten zu dienen. Unser Kleiner ist von der noch gut erhaltenen Brücke der Micalvi sehr begeistert. Steuerrad und Telegraf werden fleißig bedient. Ab und zu muss der erfahrene Kapitän Arvid mit den an den Wänden hängenden Karten seine Route vergleichen. Es geht definitiv in die Antarktis, es gibt ja keine anderen Karten.

Nach dem Stress mit den Charterbooten und dem Versorgungsstress im Ushuaia treffen wir in Puerto Williams auf paradiesische Ruhe. Unser Boot liegt zwar in einem Fünfer- oder Sechserpäckchen, aber über die Feiertage will kaum jemand seine Position wechseln. Nur als Arved Fuchs mit seiner Dagmar Aaen auch längsseits gehen will und wegen ihres massiven Gewichts nach innen muss, regen sich die Gemüter. Zwei kleinere Boote machen sich sofort aus dem Staub – egal wohin, Hauptsache weg hier. Der Franzose neben uns streikt und will zuerst sein Boot gar nicht bewegen. Doch die Perspektive ein 75 Tonnen schweres Schiff bei Starkwind an seiner Außenseite zu haben motiviert ihn doch dazu, das Feld zu räumen. Als er wieder bei uns längseits geht, stellt er lässig sein Glas Rotwein auf dem Vordeck ab, um zwischendurch die Bugleine zu werfen.

Nachdem alle Einklarierungs-Formaliäten erledigt sind, sind wir sehr froh, dass wir unser in Ushuaia hart erkämpftes Obst und Gemüse nicht abgeben oder vernichten müssen. Andere Segler hatten uns schon gewarnt, dass die Einfuhr von frischen Produkten deutlich strenger geregelt wird – allerdings wohl erst ab Januar. Die Agrarbehörde hat uns mindestens drei Mal darauf hingewiesen, dass wir bis zum nächsten Hafen bitte alles aufessen sollen. Ab dem ersten Januar wird angeblich auch in Puerto Williams streng kontrolliert, dass keine frischen Sachen aus dem Ausland importiert werden. Dabei ist es nicht wirklich klar gestellt, was nicht importiert werden darf. Laut offiziellen Dokumenten gehört zu den anmeldepflichtigen Produkten alles, was aus pflanzlichen oder tierischen Bestandteilen hergestellt wurde. Also Baumwollpullover, Wollsocken und Holzboote. Laut der Meinung eines chilenischen Segler bezieht sich das Einfuhrverbot ausschließlich auf frisches Obst, Gemüse und Fleisch. Da Chile in erheblichem Maße vom Export von Landwirtschaftsprodukten lebt, wollen sie das Einschleppen von Pflanzen- und Tierkrankheiten um jeden Preis vermeiden. Die natürliche Lage zwischen den schwer zu überwindenden Anden an einer Seite und dem Pazifik auf der anderen hilft den Chilenen in diesem Kampf.

Puerto Williams hinterlässt auf uns einen sehr geordneten Eindruck. Das kleine Städtchen ist absolut frei von Kleinkriminalität. Vor der Bank stehen nicht abgeschlossene Autos mit laufendem Motor. In Dinghys liegen Automatikwesten. Die meisten Einwohner gehören zum chilenischen Militär. Der größte Teil der Siedlung besteht aus sauber aufgereihten identischen Doppelhaushäfen. Jedes Haus hat einen winziges Vorgarten, in dem weder Bäume noch Sträucher sondern nur Gänseblümchen auf einer Wiese wachsen, und ein Häuschen für zwei riesige Gasflaschen. Ohne Hausnummer ist es nicht möglich die Häuser auseinander zu halten. Die erste Reihe hat einen spektakulären Blick aus dem Wohnzimmerfenster: verschneite Berge der Tierra del Fuego am Horizont, den Beagle Kanal mit der Isla Gable im Vordergrund. Schade, dass man bei der Armada arbeiten muss, um so ein Häuschen bewohnen zu dürfen… Geheizt wird mit Holz, was für einen herrlichen Duft auf der Straße sorgt. Die Supermärkte im Ort sind besser, als die Einwohnerzahl vermuten lässt. Sie sind zwar klein, aber endlich gibt es erschwingliche Chips und gute Schokolade und einige andere Sachen, die wir vermisst haben. Nach der Ankunft der Fähre aus Punta Arenas kann man mit ein wenig Glück sogar frisches Obst und Gemüse kaufen. Das kleine Städtchen ist völlig autonom. Es gibt einen Kindergarten, eine Schule, ein Krankenhaus und sogar ein Museum.

Am Heiligabend dürfen unsere Kinder die Dagmar Aeen besichtigen. Das ist für sie ein tolles und unerwartetes Weihnachtsgeschenk. Franka und Vsevolod dürfen in Begleitung von Thomas sogar in den Mast klettern. Was von unten so einfach aussieht, erscheint auf dem Weg doch nicht ganz so easy. Die Kinder können es kaum glauben, dass die Crew dorthin bei schwerer Welle und Wind auch hin muss, um nach Eisbergen Ausschau zu halten. Auf dem Deck der Dagmar Aeen werden Vanillekipferl gebacken. Es riecht herrlich nach Weihnachten.

An den Weihnachtsfeiertagen veranstaltet der lokale Segelclub ein offenes Kinderprogramm. Der Jugendleiter klopft jedes Boot ab, und lädt alle Kinder zum Mitmachen am nächsten Tag ein. Franka und Vsevolod können es kaum abwarten, bis es so weit ist. Warm angezogen stehen sie vor der Clubtür, werden herzlich begrüßt … und müssen ihre ganzen warmen Sachen wieder ausziehen. Zum ersten Mal in ihrem Leben steigen sie in einen Neoprenanzug. Optimisten (kleine Segelboote mit nur einem Segel) und Kanus werden zum Strand geschleppt. Trotz der Sprachbarriere versucht ihnen der Leiter klar zu machen, dass sie den Kopf anziehen müssen, wenn sie bei einer Wende die Seite wechseln. Diesen Nachmittag und den ganzen nächsten Tag verbringen unsere Großen beim Kanufahren und Segeln im Beaglekanal. Das macht ihnen großen Spaß. Vsevolod ist traurig, dass die zwei Tage so schnell zu Ende sind.

Da es keine Fähre nach Argentinien gibt, tauchen regelmäßig Rücksacktouristen am Pier auf, auf der Suche nach einer Möglichkeit nach Ushuaia zu kommen. Ein oder zwei kleine argentinische Boote scheinen damit Geld zu verdienen, billig ist so eine Passage wohl nicht. Soweit es uns bekannt ist, liegt der Preis etwa bei 100 Dollar pro Person. Die Touristen werden vom südlichsten Trail der Welt nach Puerto Williams gelockt. Das ist ein 5 Tage langer Treck von 30 Kilometern, der rund um die Insel Navarino führt. Da wir kein Zelt haben, ist es für uns nicht wirklich eine Option. Aber wir laufen trotzdem die ersten fünf Kilometer des Weges, bis zum Gipfel des Cerro Bandera auf 620 m. Der größte Teil der Strecke ist durch den Wald gut geschützt. Der Regen und der Wind bleiben in Blättern stecken. Da der Wald doch relativ licht ist, sprießen aus dem Waldboden viele Blumen. Unter anderem entdecken wir zwei Orchideenarten. Unzählige umgestürzte, entwurzelte und zersplitterte Bäume zeugen von den rauen Bedingungen, die hier herrschen können.

Langsam nähern wir uns der Baumgrenze. Die Bäume werden dünner und kleiner. Auf 600 Metern ist Schluss – kein Baum, kein Strauch – nur Mooshügeln können hier dem harten Wetter trotzen. Das Wetter ändert sich in zehn Minuten Takt. Es gibt einen Schneeschauer, dann scheint wieder die Sonne. Kurz darauf kommen niedrige dunkle Wolken, schnell verschwinden auch sie. Graupel fällt vom Himmel bei strahlendem Sonnenschein. Unsere Kinder entdecken ein ausgedehntes Schneefeld und toben ausgelassen im Schnee. Lange wollen wir aber nicht oben bleiben. Der Wind peitscht uns Graupelkörner ins Gesicht und kriecht unter die Kleider. Als wir zurück laufen, kommen uns einige schwer bepackte Wanderer entgegen. Jeder trägt einen schweren Rucksack. Mit Kälte, Regen und völliger Abgeschiedenheit braucht man einiges an Ausrüstung, um sicher durch die Wildnis durchzukommen. Trotz der monströs aussehenden Rücksäcken, sind wir neidisch auf so eine tolle Wanderung.

Das macht Lust auf mehr … ab morgen in den Kanälen westlich von hier.

Ein Kommentar zu “Opti-Segeln und Bergwandern auf der Isla Navarino

  1. ulli Krüger
    4. Januar 2016

    Liebe Familie Stüpfert,

    wir wünschen Euch ein gutes 2016, Gesundheit, Glück, Gelassenheit, Geduld, tolle Erfahrungen und alles was man bei solch einer Reise eben so braucht!
    Herzliche Grüße aus Irschenhausen,
    ulli und der Rest der Familie Krüger

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 28. Dezember 2015 von in Uncategorized.
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