(Tag 246 – 4.490 sm)
Als Segler fühlt man sich schon manchmal als Außerirdischer, der mit seiner Untertasse in einer fremden Welt landet, dort ein paar Tage bleibt und dann wieder abfliegt. So ähnlich empfinden wir, wenn wir in eine Gegend kommen, die so weit von der "Zivilisation" entfernt ist, wie der Ort Sipo in dem wir vor ein paar Tagen Halt gemacht haben. Das Fischerdorf liegt am Fluss Bandiala, den wir ja schon seit einigen Tagen entlanggefahren sind. Entgegen dem vorangegangenen Ort, Toubakouta, ist Sipo an keine Infrastruktur angebunden. Es gibt keine Straßen, keine Fahrzeuge, keinen Strom und auch kein fließendes Wasser, da der Ort auf einer Mangroveninsel liegt. Die Menschen leben in einfachen Strohhütten und ernähren sich vom Fischfang bzw. von Austern, die sie von den Wurzeln der Mangroven ernten. In sehr kleinem Maßstab wird wohl etwas Ackerbau betrieben. Bei dem salzigen und sandigen Boden dort, ist das mehr als mühsam.
Umso befremdlicher muss es den Menschen dort vorkommen, wenn plötzlich eine Segelyacht vor ihrem Ort auftaucht und rasselnd die Ankerkette in den Fluss rauschen lässt. So ein Gefährt ist weit jenseits ihres Erfahrungshorizontes. Und obendrein kommt dann noch eine Ladung Weißer mit Schlauchbooten angefahren und dringt in das beschauliche Leben des Dorfes ein. Wir sind in solchen Situationen immer etwas zurückhaltend, will man doch den Menschen Respekt gegenüber zeigen und sie in ihrer Privatsphäre nicht über Gebühr stören. Es fällt nur schwer, hier das richtige Maß zu finden.
In Sipo jedenfalls wurde unser Expeditionstrupp – vier Kinder vorneweg, zwei Erwachsene hinterher – schon beim ersten Schritt an Land von Kindern umringt. Alle Altersklassen waren vertreten. Krabbelkinder auf dem Rücken von Sechsjährigen, Schulkinder in jedem Alter bis hin zu Jugendlichen. Alle waren neugierig auf die Besucher – also uns. Unmittelbar an die Landestelle angrenzend ist ein kleiner Dorfplatz, auf den wir geleitet werden. Dort begrüßt uns auch gleich eine Frau und bittet uns, mit ihr unter einem Baum Platz zu nehmen. Ein komisches Gefühl, auf kleinen Hockern mitten im Dorf zu sitzen, kein Wort zu verstehen (nein, wir haben immer noch kein Französisch gelernt) und dabei von Dutzenden Kindern umringt und begutachtet zu werden. Besonders Arvids Thron (Kraxe) wird neugierig angeschaut. Wieso braucht dann der weiße Mann so was, wenn jedes Mädchen ganz locker so ein Pummelchen wie Arvid auf dem Rücken tragen kann? Die Kinder kennen keine Angst vor weißen Unbekannten und laufen mit uns gerne an der Hand.
Nach einer Weile verabschieden wir uns höflich und gehen auf Erkundungstour weiter durch das Dorf und dann weiter in die angrenzende Natur. Wir folgen einem Weg, der scheinbar auch von Eselkarren verwendet wird. Er führt uns quer durch die Insel und endet an einer kleinen Feriensiedlung. Aha, denken wir, sind wir doch nicht die einzigen Weißen, die hier vorbeikommen. Es stellt sich heraus, dass es sich um ein kleines Camp handelt, in dem man sich für ein paar Tage einquartieren kann und die Ruhe und Schönheit der Natur hier sowie die Vogelwelt hautnah erleben kann. Nun, das brauchen wir nicht, können aber nicht verstehen, dass scheinbar keine Gäste hier sind, ist doch die Lage wirklich traumhaft.
Unsere Kinder freuen sich zwar auch über die schönen Eindrücke, die sie hier sammeln können. Auf unserer Tour bei Sipo war aber das Highlight, dass sie die Früchte des Süßhülsenbaums gefunden haben. Diese Früchte sind harte Schoten, die innen mehrere kleine Samenkörner haben. Bei unserem ersten Ausflug auf die Insel haben sie sich die Taschen mit diesen Früchten vollgestopft und dann später auf dem Boot alle mit Zangen und Scheren geknackt. Die Samenkörner wurden in einer Schale gesammelt und zum Trocknen gegeben. Wichtig war dann beim zweiten Besuch von Sipo, dass wir eine große Tüte dabei hatten, die randvoll mit Früchten gefüllt wurde. Erwartungsgemäß war der Enthusiasmus beim Knacken der zweiten Ladung wesentlich geringer. Dafür haben wir jetzt eine Tüte voll Früchte an Bord. An langweiligen Tagen kann das eine gute Beschäftigung werden.
Es ging für uns dann in mehreren Schritten weiter dem Ausgang des Bandiala entgegen. Kurz vor der Ausfahrt empfahl der Revierführer eine geschützte Ankerbucht in einem Seitenarm. Jetzt ist das Befahren des Bandiala ja schon stressig für Thomas (Tiefgang von 2,35 m bei mit Sandbänken verseuchtem Wasser), da grenzt das Abzweigen in einen Seitenarm schon fast an Übermut und Wahnsinn, und Thomas hat lange mit sich gehadert, ob er es wirklich auf sich nehmen soll. Aber es stellte sich heraus, dass es sich lohnte, den Abstecher zu wagen. Der Ankerplatz lag versteckt hinter einer kleinen Insel – auf der einen Seite hatten wir Mangroven zum Greifen nahe und auf der anderen einen breiten Sandstrand.
An diesem Sandstrand hatten unsere Kinder auch eine Menge Spaß. Zuerst wurde etwas im Sand gespielt und Autos und Boote gezogen und geschoben. Dann allerdings sind sie auf die Idee gekommen, Krabben auszubuddeln. Es fällt an solchen Stränden nämlich auf, dass sie übersät sind von kleinen Löchern, die von Sandkugeln umgeben sind. Wenn man den Strand entlang geht, dann huschen in 4-5 m Entfernung die Krabben, die diese Löcher gegraben haben, ganz eilig in die Erde. Das ist ein witziger Anblick, wenn man beim Laufen stets eine Welle der Aktivität vor sich hat.
Nun, die Kinder haben sich gemerkt, in welches Loch die Krabben geschlüpft sind und haben die Krabben dann mit ihren Schaufeln ausgegraben. Natürlich war das nicht immer erfolgreich, und nicht jedes Kind ist gleich geschickt, aber es hat allen Spaß gemacht. Teils wurden die Krabben in Eimern gesammelt und gebadet, teils einfach über den Strand gescheucht. Jedes Tier wurde natürlich wieder unbeschadet freigelassen. Wir haben damit zwei Nachmittage verbracht. Und auch Arvid hatte mächtigen Spaß an den Krabben und es war ihm nicht einfach klar zu machen, dass etwas Abstand wegen der Scheren durchaus angebracht ist.
Letzten Donnerstag ging es dann aus dem Bandiala und damit auch aus Senegal heraus. Die Ausfahrt war nochmal spannend, da man hier von Sandbänken umgeben in einem mehr oder weniger schmalen Kanal ins offene Meer hinaus fährt. Die Wellen des Meeres brechen sich an den Sandbänken, so dass man von beiden Seiten schäumende Brandung sieht. Das beeindruckt erst mal. Es stellte sich aber heraus, dass die Ausfahrt weniger kritisch war als vorher vermutet. Der Skipper hätte also durchaus etwas besser schlafen können in den Nächten vorher, statt sich über die Ausfahrt den Kopf zu zerbrechen. Und dann hatte uns das Meer für eine Weile wieder!
Seit ein paar Tagen sind wir in Gambia … darüber folgt ein separater Bericht.
Und aktuell haben wir leider eine sehr geringe Internet-Bandbreite. Was wir nicht für möglich gehalten hätten: hier gibt es flächendeckend Internet-Verbindung per Mobilfunk (EDGE – kennt das noch jemand von euch?)! An jedem Ankerplatz hatten wir die Möglichkeit, Emails zu checken. Die Bandbreite lässt aber selten eine Browser-Verbindung zu. Daher gibt es heute nur ein Bild. Der Rest wird nachgereicht.