(Tag 210 – 3.899 sm)
Seit Montagmorgen sind wir auf Santiago, der größten und wirtschaftlich wichtigsten Insel der Kapverden. Hier befindet sich die Hauptstadt Praia, und auch der größte Teil der landwirtschaftlichen Produktion des Archipels erfolgt hier. Das prägt auch die Menschen … aber dazu später mehr.
Das Wetter ist um die Kapverden herum derzeit zum Segeln nicht das beste. Man kann sich aussuchen: Sehr viel Wind mit hohen Wellen oder viel Wind mit sehr hohen Wellen oder sehr viel Wind mit sehr hohen Wellen. Da wir übermäßigen Wellengang als ehr unangenehm empfinden und für die erste Wochenhälfte eben solcher vorhergesagt wurde, haben wir am Samstag in Tarrafal auf Sao Nicolau ausklariert. Eigentlich hatte die Policia Maritima am Wochenende geschlossen. Aber Thomas hat bei der nationalen Polizei einen freundlichen Polizisten gefunden, der den Kollegen von der maritimen Polizei zuhause angerufen hat. Prompt stand dieser fünf Minuten später vor seinem Büro und schloss auf – in Freizeitklamotten. Echt ein super Service! Er hat uns dann auch zügig und sehr zuvorkommend ausklariert.
Somit konnten wir am Sonntag ablegen. Wir hatten eine Nachtfahrt geplant – nach Santiago sind es knapp 90 Seemeilen, also erwartete 12 Stunden. Da es keine entspannte Überfahrt werden würde, wollten wir die Kinder lieber schlafen lassen als an Deck mit Seekrankheit kämpfen. Und für uns Eltern ist das auch leichter, da insbes. Arvid dann nicht ständig betreut werden muss.
Am Nachmittag kam dann noch ein Fischerboot bei uns vorbei und hat uns eine große Dorade angeboten, die wir dann auch kurzerhand kauften. Wir brauchten zwar gerade keinen Fisch zum Abendessen, aber die Gefriertruhe verträgt ein paar Portionen Fisch. Aber vorher muss so ein Fisch natürlich erst mal ausgenommen und zerlegt werden. Gar nicht einfach für uns Anfänger. In gemeinsamer Arbeit haben wir es aber dann vollbracht: der Fisch lag gesäubert und filetiert in Portionen in der Gefriertruhe. Ein Teil wurde als Fischsuppe gekocht. Auch den Schmutz haben wir vom Achterdeck wieder komplett runter bekommen.
Kurz vor 20 Uhr ging es dann in völliger Dunkelheit los … nicht einmal der Mond schien. Der Wind war mit 25 Knoten aus Nordost vorhergesagt. Bereits am Ende der Windabdeckung an der Südspitze von Sao Nicolau war der Wind so stark, dass wir Genoa und Groß reffen mussten. Das ging im 5-Minuten-Takt … vom 1. Reff ins 2. Reff usw. Am Schluss war das Groß im 3. Reff und die Genoa im 4. Reff angelangt. So ging es dann durch die Nacht. Ist schon ein einerseits tolles und erhebendes auf der anderen Seite etwas beängstigendes Gefühl, wenn man alleine durch die Dunkelheit mit 8-9 Knoten durch Wind und Welle stampft. Wir hatten den Wind von der Seite und dadurch natürlich auch einiges an Schräglage. Die seitlich ankommenden Wellen trugen natürlich mit zur Freude bei. Immer wieder kamen Wellen über, dass sogar Wasser in unser eigentlich gut geschütztes Cockpit schwappte – nicht viel, aber doch ausreichend, um Thomas dazu zu bringen, sich seine wasserdichte Segelhose anzuziehen.
Letztlich war von den vorhergesagten 25 Knoten nicht viel zu sehen. Es waren ehr 35 bis 40 Knoten, die uns durch die Nacht trieben. Dadurch kamen wir auch nach weniger als 12 Stunden in Tarrafal auf Santiago an. Dort liegt man in einer kleinen Bucht auf leider etwas felsigem Grund vor Anker. Unser Ankermanöver fuhren wir dann auch glatt zweimal, da wir mit der ersten Position nicht ganz zufrieden waren. Wir gehen da immer gerne etwas auf Nummer sicher und liegen nicht so nahe an den anderen Ankerliegern und stecken auch ordentlich Kette – insbesondere bei einem solch schlecht haltenden Grund wie hier. Die meist französischen Boote um uns herum sind da ehr etwas schmerzbefreiter. Die Abstände werden dort deutlich unter dem Minimum gewählt. Und auch mit der Kettenlänge ist man flexibel. Dann muss man halt ein Notmanöver bei slippenden Anker fahren … wie der Franzose hinter uns, den wir plötzlich an den Felsen im Lee der Bucht am Anker hantieren sahen. Offensichtlich ist sein Boot mitsamt Anker auf Wanderschaft gegangen. Wir versuchen solche Situationen zu vermeiden und geben möglichst viel Kette, fahren den Anker gut ein und kontrollieren auch immer durch einen Tauchgang die Lage des Ankers. So lässt es sich dann auch gut und ruhig schlafen.
Gleich am Montagnachmittag sind wir auf Erkundungstour an Land gegangen. Ein netter Mann hat uns beim Anlanden mit dem Dinghy geholfen und auch gleich angeboten, auf das Boot aufzupassen. Wir waren das ja aus Sao Nicolau gewohnt, wo wir auch immer Aufpasser für unser Beiboot hatten und zwischen 50 Cent und 2 Euro pro Tag dafür zahlten. Als wir dann aber an den Strand zurück kamen, kam uns schon eine andere Crew entgegen und erzählte uns, dass sie gerade 5 Euro für den Aufpasser gezahlt hätten. Wir waren also schon vorgewarnt. Und tatsächlich war er mit den von uns angebotenen 50 Cent gar nicht zufrieden. Nach einiger Diskussion sind wir dann ohne zu zahlen abgefahren. Am nächsten Morgen machte er uns dann klar, dass wenn wir nicht zahlen, Benzinschlauch und Benzintank unseres Dinghys geklaut werden würden. Klare Erpressung. Nun, Thomas hat mit ihm dann vereinbart, dass er am ersten Tag 5 Euro und für jeden weiteren 3 Euro bekommen würde. Das ist zwar eigentlich deutlich zu viel, aber auf ein beschädigtes Dinghy hatten wir keine Lust. Die Höhe ist, dass heute trotz Bewachung offensichtlich der Tank ausgebaut und wohl teilweise geleert wurde. Und außerdem ein Schäkel an einer Leine fehlte. Und das trotz Schutzgeldes! Aber hier in Tarrafal ist man immer noch besser dran als in Praia, der Hauptstadt. Dort sind dieses Jahr schon mehrere Yachten beraubt worden bzw. wurde es versucht. Es ist wirklich schade, dass einem eine so schöne Insel durch ein paar Gauner und Halunken madig gemacht wird.
Trotz solcher Erlebnisse hatten wir heute einen äußerst angenehmen und abwechslungsreichen Ausflug ins Inselinnere. Wir nahmen morgens einen Aluguer nach Assomada. Die Aluguers kannten wir schon von den anderen Inseln. Das sind Kleinbusse, die meist ein festes Ziel haben und so viele Fahrgäste wie möglich mitnehmen und erst dann losfahren, wenn sie voll sind. Dann nehmen sie noch weitere Fahrgäste entlang der Strecke auf, so dass die 11 Plätze im Bus schnell mit 15 bis 20 Personen gefüllt sind. Heute morgen hielt ein Aluguer neben uns und fragte uns, wohin wir wollten. Das von uns genannte Assomada lag wohl nicht auf seiner ursprünglichen Route. Daher lies er kurzerhand alle anderen Fahrgäste aussteigen und nahm uns mit. Nicht dass wir besser zahlten. Wir vermuten, dass er es mit uns sechs als Anfangsauslastung besser hatte als mit den drei oder vier die im Bus saßen. Wie auch immer, wir fuhren dann mit halsbrecherischem Tempo Richtung Süden. Im Fond des Busses dröhnte ein Subwoofer ohne dass man Musik hören konnte. Die normalen Frequenzen waren wohl nur für den Fahrer bestimmt. Die Straße ist regelmäßig mit Erhöhungen oder Buckeln versehen, die zum langsameren Fahren animieren sollten. Bei unserem Fahrer hatte das nur den Effekt, dass wir mit Höchstgeschwindigkeit auf die Erhöhungen zufuhren, nur um dann im letzten Augenblick eine fast Vollbremsung hinzulegen. Danach ging es dann gleich wieder mit Vollgas weiter. Man muss nicht erwähnten, dass eine solche Fahrt ehr anstrengend ist.
In Assomada angekommen sind wir erst mal über den lokalen Markt geschlendert. Der war wesentlich bunter und geschäftiger als alle, die wir bisher gesehen hatten. Es wurde neben dem üblichen Gemüse und Obst der Insel auch Wurst und Fleisch angeboten. In kleinen Garküchen servierte man kleine Gerichte. Einige hatten lebendige Tiere dabei … Hühner oder Schweine, die man wohl direkt vor Ort sich schlachten lassen konnte. Da ja weder die Verkäufer noch die Käufer einen Kühlschrank haben, ist das die einzige Möglichkeit, Frischfleisch zu bekommen. Sieht aber erst mal befremdlich aus und ist auch mit unseren Vorstellungen von Tierschutz nicht vereinbart, wenn Schweine in Säcken gehalten werden oder Hühner gebunden in Schüsseln sitzen. Wenn man sich aber die Lebensweise der Leute dort vergegenwärtigt, so relativiert sich manches.
Leider hatten wir keine Wanderkarte der Insel. So war es dann nicht leicht, einen schönen Wanderweg zu finden. Mit etwas Herumfragen sind wir dann in ein Tal in der Nähe von Assomada gekommen und von dort in die Berge aufgebrochen. Der Weg ging sehr schön entlang eines ausgetrockneten Flusses in ein Tal hinein. Dort trafen wir sehr viele nette Menschen. Sie freuten sich immer, wenn wir mit ihnen versuchten zu sprechen. Es musste leider immer bei einem Versuch bzw. bei einer rudimentären Kommunikation bleiben, da wir keine Kreolisch verstehen und Englisch als Fremdsprache nicht wirklich verbreitet ist. Aber wir haben uns dann doch durchgeschlagen und haben sehr viele schöne Eindrücke mitgenommen. Und zurück ging es natürlich auch wieder mit dem Aluguer
Morgen fährt Thomas nach Praia um die Ausreiseformalitäten zu erledigen. Dann legen wir am Freitag Richtung Dakar, Senegal ab.