SY Outer Rim – A Family's Sailing Adventure

Sailing across the world's oceans with four kids

Fahrt ins Mittelmeer

(Tag 88 – 1.994 sm)
 
Fast 1.200 Seemeilen sind wir in den letzten Tagen non-stopp gesegelt. Insgesamt waren wir für die Strecke von St. Peter Port auf Guernsey bis Gibraltar gut sieben Tage unterwegs. Das ist eine lange Zeit, und wir wussten auch im Voraus nicht, wie wir das verkraften werden. Somit sollte die Fahrt ein Test für Schiff und Crew werden. Und das ist es dann auch in jeder Hinsicht geworden – und, das sei vorweg gesagt, es war ein Erfolg.
 
Am Vorabend unseres Ablegens waren wir noch nicht ganz sicher, ob die Wettersituation stabil und gut genug ist, um die Überfahrt anzugehen. Wir wussten ja, dass ein Stopp unterwegs nur im äußersten Notfall möglich ist – EU-Steuerrecht. Nun, die Winddaten zeigten ein gemischtes Bild, aber es erschien durchaus machbar. Wir erwarteten einige Stunden Flaute und Wind teilweise aus der falschen Richtung. Aber grundsätzlich sah das schon ganz gut aus. Also hieß es dann am letzten Mittwoch: Wassertanks randvoll füllen und Entwirren aus dem Fünfer-Päckchen. Gleich um Guernsey herum stand uns der Wind schön auf der Nase, blies also aus der Richtung, in die wir wollten. Das kann man natürlich kreuzen und sich so mühsam vorwärts arbeiten. Aber nach vier oder fünf Stunden frustrierender Am-Wind-Arbeit mit Welle gegenan hatten wir es dann satt. Die durchschnittlich 2,5 Knoten Fahrt in die gewünschte Richtung waren uns zu wenig. Immerhin war für das Wochenende im Kanal stürmisches Wetter vorhergesagt. Also wollten wir schnellstmöglich rüber über die Biskaya, um dem Wetter auszuweichen. Das hieß also erst mal Diesel an und Richtung Westen motoren. Bis zum Eingang in die Biskaya ging das dann auch so weiter. Damit hatten wir aber schon mal den gewünschten Vorsprung vor dem Wetter.
 
Die Biskaya selbst – sie ist ja wegen ihrer Rauheit berüchtigt – war sehr sanft zu uns. Wir hatten kaum Schwell und der Wind war meist gut. Nur einmal hatten wir in der Nacht plötzlich 35 bis 40 Knoten Wind. Reffen der Segel unter solchen Bedingungen ist zwar etwas Arbeit, aber mit unserem Schiff sehr sicher durchzuführen. Der Rest war harmlos. Damit ging es dann bis zur Nordwestecke Spaniens. Dort frischte dann der Wind wieder auf 40 Knoten auf und kam unglücklicher Weise wieder direkt gegenan. Kreuzen war hier sehr mühsam, da wir uns in einem engen Streifen zwischen der 12-Meilen-Zonen von Spanien und einem ausgedehnten Verkehrstrennungsgebiet befanden. Solche Verkehrstrennungsgebiete sollte man als Sportboot, und mit einem solchen sind wir ja unterwegs, nicht befahren bzw. nur unter bestimmten Bedingungen. Jedenfalls wollten wir uns davon frei halten. Wir sind dann bis zum Ausgang des Trennungsgebiets motort und dann bei 40 Knoten mit Fock und stark gerefftem Groß direkt quer darüber Richtung Westen hinweggekreuzt. Das war ein spannender Ritt mitten in der Nacht. Bei solchen Windverhältnissen liegt das Schiff schön schrägt (krängt) und man hat draußen eine Kulisse mit Schiffen von bis zu 400 Metern Länge, die vor und hinter einem durchfahren. Allerdings muss man die Steuermänner der Großschifffahrt hier auch mal loben – es wurde stets die Vorfahrt unseres Segelboots gegenüber den Großschiffen beachtet, d.h. die Großen sind ausgewichen. Man darf sich da zwar nicht darauf verlassen, uns wurde jedoch stets der nötige Seeraum eingeräumt.
 
Am Ende des nächtlichen Am-Wind-Ritts und nachdem eine Wende Richtung Süden endlich in die richtige Richtung ging, war der Skipper schon etwas erschöpft. Es hat einige Zeit gedauert, bis – inzwischen ist der Wind deutlich abgeflaut – die Kraft da war, die Segel neu auszurichten, um wieder etwas Fahrt aufzunehmen. Für eine nicht unerhebliche Zeit dümpelten wir mit 3 bis 4 Knoten durch das Wasser.
 
Entlang der portugiesischen Küste hatten wir zwei Tage optimales Vor-Wind-Wetter. Der Wind kam direkt von hinten und wir konnten beide Vorsegel ausbaumen (d.h. mit einer Stange nach außen halten). Damit standen ca. 170 qm Segelfläche im Wind. Mit 20 bis in Spitzen 35 Knoten erreichten wir somit bis über 10 Knoten Geschwindigkeit durchs Wasser. Das ist für ein 30 Tonnen-Schiff schon einiges. Klar, lächeln da die Performance-Segler, aber für ein Familienboot waren wir mit der Geschwindigkeit schon recht zufrieden.
 
Am Ende der Down-Wind-Strecke – wir mussten ja schließlich wieder östlich abdrehen – stand nur noch die Genua ausgebaumt. Die Fock war schon weg und der Skipper hatte sich nochmal auf Ohr gehauen, bevor der Kurs in einen Raumwind-Kurs geändert werden sollte. Als dann das Umstellen der Segel anstand, war der Wind schon wieder auf über 35 Knoten angestiegen. Die See wurde zunehmend rauer. Damit wird natürlich das Hantieren mit einem Spinnaker-Baum auf dem Vordeck sehr spaßig. Nun jedenfalls standen nach einiger Zeit die Segel richtig, der Kurs mit 110° auch optimal. Nur wurde die See immer unruhiger – die Wellenhöhe lag deutlich über den vorhergesagten 2 Metern und die Wellen brachen sich bereits um uns herum – und der Wind frischte weiter bis zuletzt über 50 Knoten auf. Das ist Windstärke 10 – schwerer Sturm! Vorhergesagt waren Windstärke 4 bis 6. Da wird man dann schon unruhig. Per Iridium wurde nochmal ein Wetterbericht geladen – gleiches Bild, von Sturm keine Rede. Also sind wir wohl Opfer eines lokalen Wind-Phänomens geworden, welches in bestimmten Situationen ost-gehende thermische Winde erzeugt. Da half also nichts – da mussten wir durch. Und die Nacht war sehr unangenehm. Mit raumem Wind heißt es nämlich, dass brechende Wellen schön über das ganze Schiff fegen – und sich wirklich selbst bei deutlicher Krängung von der Luv-Seite bis ins Cockpit arbeiten. Damit gab es kaum einen trockenen Platz für den Wachhabenden.
 
Letztlich war die Nacht zwar unangenehm, aber nicht kritisch. Natalya hat das natürlich erst mal anders gesehen. So hieß es doch die Kinder zu sichern und alles unter Deck nochmal besser vor Verrutschen zu schützen. Am Morgen war aber alles ausgestanden und wir konnten den Wind gut zum Weiterkommen bis Gibraltar nutzen.
 
Den letzten Adrenalin-Stoß gab es dann kurz vor dem Hafen. Weder Crew noch Boot waren jemals im Mittelmeer. Hier gibt es eine spezifische Art des Anlegens mit einer Mooring-Leine und Verbindungsleinen zum Steg. Damit gestaltet sich ein Anlegemanöver ganz anders als mit einem Schimm-Pontoon, wie wir es aus Nordeuropa gewohnt waren. Zu allem Überfluss hatten wir bis kurz vor Gibraltar wieder 45 Knoten Wind auf der Anzeige stehen. Mit extremen Seitenwind ein neues Anlegemanöver durchführen – das erschien unmöglich, auch wenn wir in Theorie alles schon mehrmals durchgespielt hatten. Praktisch sind da Spielzeugboote und Stege aus Duplo. Nun jedenfalls war die Sorge groß, bis der Wind kurz vor der Marina fast komplett eingeschlafen ist. Zwar war dann das Anlegen immer noch kein Selbstgänger, aber es hinterließ nur eine weitere Erfahrung und keine Kratzer.
 
Nach gut sieben Tagen waren alle froh, wieder an Land zu kommen. Einen solche Fahrt ist anstrengend, keine Frage. Aber es ging deutlich besser, als wir es uns hätten wünschen können. Die ersten beiden Tage waren durch die Seekrankheit etwas eingetrübt – jeder außer Arvid hat mit seinem Mageninhalt Fische füttern dürfen. Als das durch war, war es sehr entspannt und fröhlich an Bord. Durch Basteln und Lesen und am Ende sogar Schulunterricht haben sich die Kinder unterhalten – und bei rauen Bedingungen wurde die Achterkabine als Kuschel- und Spielecke für alle freigegeben. Das war der Hit! Und die Krönung war natürlich, dass wir jeden Tag mindestens einmal Delfine am Schiff hatten. Teilweise nur kurz, manchmal aber auch richtig lange. Und in der Straße von Gibraltar sind die Delfine so aktiv, dass sie regelmäßig komplett aus dem Wasser springen. Ein solcher Anblick entschädigt für so manche Strapaze.
 
Abschließend wie gewohnt eine Eindrücke in Bilderform:

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 Basteln und Malen unter Deck:
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So wohl ist es Natalya nicht mit den Wellen um uns herum
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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 16. August 2014 von in Uncategorized.
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